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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Kryogenese bei Amphibien geschrieben hat«.
    Oder eine grammatische Konstruktion, die mehr Leid, Freude, Streit und Leidenschaft ausgelöst hatte als jede andere in der Syndikatsgeschichte: »der, den ich liebe«.

    Arkady betrachtete seine neuen Kameraden instinktiv zunächst einmal als Angehörige einer bestimmten Abstammungslinie und dann erst als Individuen. Erst – die Phrase pari inter pares kam ihm sarkastisch in den Sinn – kamen die beiden Ahmeds des AzizSyndikats. Der Name ihres Syndikats deutete auf den nordindischen Ursprung ihres Gründers hin, so wie auch ihr hoher, soldatischer Wuchs und ihre kantigen Kiefer. Arkady hatte beide Ahmeds vor dem Essen schon kurz gesehen und sie insgeheim den »Lässigen Ahmed« und den »Korrekten Ahmed« getauft. Der Lässige Ahmed war ganze fünf Zentimeter größer als die genetische Norm Aziz-8135 und hatte es sich angewöhnt, etwas gebeugt zu gehen, um seine Abweichung zu kaschieren. Etwas an dieser Kombination aus schlottriger Haltung und seiner nüchternen, selbstironischen Art machte Arkady Hoffnung, dass er hier ein Exemplar einer seltenen Gattung vor sich haben könnte: einen Piloten, der hart genug war, um ein Schiff in der Tiefe zu kommandieren, aber bescheiden genug, um sich nach der Landung zurückzuziehen und die Wissenschaftler ihre Arbeit machen zu lassen. Der Korrekte Ahmed dagegen war ein kalter Fisch und hatte etwas von einem Leuteschinder … eine Persönlichkeit, der Arkady als allerletzten das Kommando über eine Mannschaft von Rostow- und Banerjee-Wissenschaftlern überlassen hätte.
    Aber vielleicht dachte er zu sehr in Klischees. Einer der älteren genetischen Brüder der Ahmeds war ein weithin beliebter Spinvideostar. Seine sex- und gewalttriefenden Abenteuer waren eins der größten schuldbeladenen Vergnügungen in einer Gesellschaft, die seit der UN-Invasion zunehmend kalt, asketisch und zwangsbewirtschaftet geworden war. Niemand konnte den muskelbepackten Körper und das herrische Gesicht eines Ahmeds betrachten, ohne an seinen berühmten Bruder und die vielen Tugenden zu denken, die das AzizSyndikat im kollektiven Bewusstsein der Syndikate verkörperte. Oder die es zumindest verkörpern sollte. Arkady
hoffte jedenfalls, dass dieses besondere Paar von A-8ern die Stärken ihres Phänotypus in die anstehende Mission einbringen würden und nicht seine Schwächen. Denn wenn sich einer von ihnen in der Art von impulsiver Arroganz verhalten würde, die ihr Spinvideo-Bruder auf dem Bildschirm zeigte, konnte sich die Erkundungsmannschaft auf etwas gefasst machen.
    Nach den beiden Ahmeds kamen die beiden Bellas, auch beide anwesend. Und wie typisch war es für das MotaiSyndikat, dass es zwei B-Klasse-Konstrukte geschickt hatte. War es eine rein technische Entscheidung gewesen – das Erfordernis, ein Arbeitspaar mit genau der richtigen Kombination von Fähigkeiten für diese Mission zusammenzustellen? Oder war es eine subtile posthumane Anspielung auf den Widerstand der älteren Syndikate gegen kastenbasiertes Gendesign?
    Abgesehen von der Tatsache, dass sie beide B-Klasse-Konstrukte waren, fiel an den beiden Bellas ihre unheimliche Ähnlichkeit auf. Gewöhnliche Konstrukte unterschieden sich von ihren Geschwistern fast im selben Maße wie natürliche Zwillinge. Für menschliche Augen sahen sie vielleicht gleich aus, aber sie konnten sich gegenseitig immer anhand leichter Variationen der Gesichtszüge, Größe, Hautfarbe unterscheiden – selbst der Haarwirbel, wie Arkady aus guten Gründen vermutete. Aber die B-Klasse-Konstrukte des MotaiSyndikats waren keine Zwillinge; sie waren lebendige, atmende Spiegelbilder. Und die massiven Aussonderungen in vitro und nach der Geburt, die das MotaiSyndikat durchführte, um solche Perfektion zu erreichen, waren unter den älteren Syndikaten beinahe ebenso umstritten wie ihre kastenbasierten Abstammungslinien.
    Es war natürlich alles ideologisch einwandfrei; ein schonungslos eleganter Ausdruck der höchsten und reinsten Prinzipien der Soziobiologie. Trotzdem drehte es Arkady den Magen um. Was empfand eine Person dabei, wenn sie wusste,
dass man ihren Platz im Leben schon vorherbestimmt hatte, als sie noch ein Keim unterm Mikroskop war, gemäß einer Hierarchie, die so unbeweglich war wie die rigidesten menschlichen Klassensysteme? Was bedeutete es, wenn man unterdrückte Erinnerungen nicht an einen, sondern Dutzende ausgelesene Spielkameraden hatte? Und was bedeutete es, wenn man wusste, dass mit jedem

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