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Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)

Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)

Titel: Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Merkel
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aussuchen, mithin also den schönsten, spektakulärsten Raum im ganzen Haus. In den 40er Jahren haben hier Hollywood-Schauspieler residiert. Die Inneneinrichtung ist im Art Deco Stil gehalten, und die verfallenen Bungalows in der Umgebung erinnern an alte glanzvolle Zeiten, in denen das Hotel ständig ausgebucht war. Als wir draußen im Whirlpool sitzen und auf die Palmen und das beleuchtete Hotel schauen, wird uns auf einmal bewusst, was für ein Glücksfall das ist. »Das ist wahrscheinlich das schönste Hotel, das ich jemals gesehen habe«, sagt Judith. »Wirklich, ganz bestimmt«, erwidere ich, während über dem Pool ein leichter Dampfschleier aufsteigt. Die Palmen spreizen sich im Wind. Licht windet sich durch die Lobby, den Saal, unsere Suite im ersten Stock, mit dem ums Eck herumführenden Fensterband, das einen violetten Schimmer verbreitet. Die Granitfelsen des sich hinter dem Hotel erhebenden Indian Head ruhen in der Dunkelheit. Judith streckt ihre Beine aus. Ich sage ihr, wie gut ihr der Ring steht, den ich ihr gekauft habe. Der kleine künstliche Brillant ist auf einem durchsichtigen Plastikband so befestigt, dass es so wirkt, als klebe der Diamant direkt auf dem Gelenk ihres Zehs. Sieben Dollar fünfzig. Wir stützen uns mit den Armen auf den Plastiksitzen ab. Wir können unser Glück nicht fassen. »Und es ist niemand hier«, raunt sie mir zu. Wir stellen uns vor, wir seien die letzten Menschen auf der Erde und fünfzehn Minuten nach dem Untergang der Welt funktioniere alles noch, sogar der Whirlpool. »Hättest du das gedacht«, sage ich, »dass wir so ein tolles Hotel finden?« Ich möchte ein bisschen Anerkennung dafür, dass ich bei der Suche so hartnäckig darauf bestanden habe, jedem Hinweis nachzugehen. Das Hotel wird in meinem Reiseführer als Geheimtipp gehandelt. »Das hast du toll gemacht.« »Und es hat dich nicht genervt?« Ich lasse meine Füße leicht aus dem Wasser hochsteigen. »Natürlich hat es dich ein bisschen genervt.« Judith schüttelt den Kopf. »Nein«, sagt sie. »Es ist das schönste Hotel der Welt, und ich werde es niemals vergessen.« Sie dreht sich zur Fassade des Palms um, schaut anerkennend auf die schwarzen Fensternischen und die im Dunkel liegende Glasfront des Restaurants. Wir müssen in die Stadt zurück, um etwas zu essen. Die Aussicht, unser Hotel für ein paar Stunden zu verlassen und dann wieder zurückzukehren, ist geradezu berauschend.

    Ich mache die Augen zu, und wir küssen uns. Lichterketten sind um die Palmen gewickelt und bilden einen illuminierten Raum, der unseren vor dem Hotel stehenden Wagen umgibt. Zwei andere Wagen stehen ebenfalls auf dem Parkplatz. Es müssen die Fahrzeuge der Toten sein, die die Katastrophe nicht überlebt haben, deren Tod aber glücklich und schmerzlos gewesen ist und die jetzt, wie Judith glaubt, auf dem höchsten Punkt des Indian Head begraben sind. Es ist niemand da, wir könnten uns im Whirlpool lieben. Es ist ein spielerischer Gedanke, der nicht ganz zu dieser friedlichen, geisterhaften Umgebung passt. Das warme Wasser beruhigt und entspannt. Judith erzählt von ihrer neuen Wohnung in Washington, die sie sich mit Kyra teilt. Der Einfluss von Kyra macht sich immer mehr bemerkbar. Von Ethnologie ist überhaupt nicht mehr die Rede. Bei Judiths neuem Promotionsthema geht es um die Anfänge der internationalen Hilfsgemeinschaften, das Internationale Rote Kreuz und wie die Erfindung der Telegraphie und des Morse-Codes die moralische Distanz zwischen den Schlachtfeldern und den zu Hause Gebliebenen immer mehr verringert hat. Die Zentrale des Roten Kreuzes, sagt Judith, liegt in Genf. Sie sieht wie das Gebäude eines Pharmakonzerns aus. Die Menschen, die dort arbeiten, sind ganz jung und entspannt. Ich bin selbst ganz berauscht von der Vorstellung, Judith sei im Grunde schon jetzt ein weltweit operierendes Führungsmitglied der WHO, eine weltweit eingesetzte UN-Spezialistin. Sie ruht sich im Whirlpool aus. »Hast du schon mal im Wasser Sex gehabt?«, frage ich, um das Thema zu wechseln. Sie legt ein bisschen den Kopf schief. »Ja«, sagt sie. »Aber es macht nicht so viel Spaß, wie man denkt.« Ein Auto nähert sich dem Hotel. Aber es ist nicht weiter besorgniserregend. Zwei große flauschige Badehandtücher liegen links und rechts des Whirlpools. Das Hotel gehört ohnehin uns. Wir sind als Erste da gewesen. »Sie sind zurückgekommen«, sagt Judith. »Wer?«, frage ich. »Na, die anderen«, sagt sie, eine Fußspitze leicht aus

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