Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)
rasenmäherartige Dröhnen eines Autos, das die Borrego Valley Road Richtung Visitor Center fährt. Noch mehr, als das Paar nicht weggeschickt zu haben, bedauere ich später, dass wir uns nicht mit ihnen angefreundet haben. Es ist eine verpasste Gelegenheit, ein Moment, in dem wir als Paar gescheitert sind. Warum freunden wir uns nicht mit ihnen an? Warum flüchten wir aus dem Hotel und gehen in ein billiges mexikanisches Restaurant in Borrego Springs? Bis zum letzten Moment spiele ich mit dem Gedanken, das Essen doch mitzunehmen und im Hotel unter würdigeren Umständen zu verspeisen. Aber Judith erklärt, dass sie unbedingt Alkohol trinken will und dass man die Margaritas nicht mitnehmen kann. Was spricht dagegen, vier Margaritas mitzunehmen, wenn man dafür bezahlt, denke ich in der U-Bahn auf dem Weg zum John-F. -Kennedy-Flughafen. Ich darf auf keinen Fall Broadway Junction verpassen. Immer wieder starre ich auf den Plan. Die A-Linie fährt direkt bis Howard Beach, dort startet der Shuttle-Zug, und dann bin ich im Grunde schon am Flughafen. »Ihr müsst diese Telefonnummer anrufen«, sage ich zu dem Mann, der vielleicht Anwalt oder Steuerberater ist. »Danke«, sagt er, und seine Freundin legt den Arm um ihn. Ihre strohblonden Haare sind zu einem peinlich genau verschnürten Pferdeschwanz zusammengebunden, der wie ein goldener Staubwedel über ihren mageren Nacken hängt. Ich laufe den steinigen Pfad, den Felsbrocken ausweichend, wieder herunter. Auf einem Geröllabschnitt gerate ich ins Rutschen und schlage mir den Ellbogen auf. Zuerst spüre ich nichts und laufe weiter. Als ich wieder ebenen Grund erreiche und der Ellbogen fast auf zarte Weise zu schmerzen beginnt, habe ich plötzlich den Einfall, Judith zu überreden, dass sie mit mir zusammen gleich nochmal zu dem Aussichtspunkt läuft. Möchte ich ihr beweisen, zu welchen sportlichen Leistungen ich fähig bin? »Sie müssen diese Telefonnummer anrufen«, sage ich zu dem Paar. »Es ist ganz einfach. Alle Zimmer kosten das Gleiche.« »Ja«, flötet Judith, »und es ist ganz billig, unglaublich.« »Wirklich?«, strahlt uns das Paar an. Ich laufe zurück. Immerzu laufe ich zurück. Die Luft auf dem Bahnsteig ist so heiß und stickig, dass ich sofort zu schwitzen anfange. Ich muss umsteigen, ich muss den A-Train finden. Schweiß läuft über meine Schläfen und meinen Hals. Ich möchte Judith beweisen, dass meine physischen Kräfte unbegrenzt sind. Vor allem am Morgen, wenn ich normalerweise noch nicht einmal die Kraft habe, Guten Tag zu sagen. »Schau dir das an«, sage ich zu ihr. Ich drehe mich nach dem Indian Head um. »Du musst dir das anschauen.« Sie sitzt auf der dunkelblauen Couch vor dem Panoramafenster, ein Handtuch um ihren Körper gewickelt und liest Herr der Ringe . In der Weite des Ausblicks, in der Stille des Morgens beuge ich mich zu ihr herunter. Die vereinzelten Motoren links und rechts der begrünten Oase schnurren wie Spieluhren. »Du musst da auch hoch«, flüstere ich ihr in Gedanken zu, während ich immer schneller nach unten laufe.
Zwei Stunden später sitzen wir im Hotel auf der Terrasse. Vor lauter Glück wissen wir gar nicht, was wir zuerst essen sollen. Die Muffins, die Cornflakes oder den Frischkäse, den wir dann auf den Muffins verteilen, weil es sonst nichts anderes gibt. Das Hotel wird noch renoviert, die Unterwasserbar, die direkt unter dem Pool liegt, wird vielleicht nächstes Jahr fertig. In diesem Moment weiß ich noch nicht, wohin sich das alles entwickelt. Ich weiß noch nicht, wo die Reise endet, zu welchem Ergebnis sie kommt. Wir gehen sehr vorsichtig miteinander um, sagen zu allem Bitte und Danke, sind ständig umeinander besorgt. Ich springe in den Pool. Das Wasser ist so kalt, dass man eigentlich nur hineinspringen kann und dann sofort wieder raus muss. Judith steht am Beckenrand mit der kleinen Einwegkamera, die wir unterwegs zusammen mit dem Zehenring gekauft haben. Ich springe zweimal. Einmal, als Judith am Beckenrand steht, und einmal, als Judith in der Unterwasserbar ist. Man schaut von dort direkt in den Pool hinein. Einen solchen Raum hat es, wie uns Dan, der Besitzer des Palms später erzählen wird, schon zu Zeiten der Hollywoodstars gegeben. Er diente als Cocktailbar, und abends konnten die Gäste dort sitzen und durch die Fenster das beleuchtete Wasser und die Schwimmer sehen, während sie selbst an ihren Cocktails nippten. Das Wasser des Pools ist blau, von Sonnenlichtflecken durchzogen, wie ein von Hand
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