Lichtjahre entfernt: Roman (German Edition)
dem Wasser herausstreckend, der kleine billige Zehenring blitzt Aufmerksamkeit heischend im indirekten Licht der im Boden verankerten Strahler auf, die den Pool beleuchten. »Die anderen, die hier auch wohnen.« Sie lächelt vor sich hin. Ihr Lächeln, ihre Schönheit, bekommt etwas Mondänes. Sie könnte einer dieser Hollywoodstars sein, die in den 40er Jahren zur Erholung hierher gefahren sind, bevor das alte Hotel abgebrannt ist. Die Landebahn des Flughafens endet direkt hinter uns, nur wenige Meter von uns entfernt, und ist jetzt mit Sträuchern überwuchert. Judith atmet tief ein und streckt die Beine aus. Das fremde Auto erreicht den Parkplatz. Und unser Glück erhebt sich, steigt vor uns aus dem Wasser und läuft, in die großen weißen Hotelhandtücher gehüllt, in unsere verschwenderisch erleuchtete Suite. »Willst du schon mal gehen?«, fragt sie. »Oder möchtest du, dass ich zuerst gehe.« »Warte«, sage ich. In diesem Moment bin ich mir über die Bedeutung dieses Augenblicks nicht im Klaren. Ich spüre nur, wie angenehm warm das Wasser des Whirlpools ist.
2
Als ich am nächsten Morgen hinter dem Haus in Richtung Indian Head laufe, weiß ich noch gar nicht, dass die Zeit, die wir im Palms verbracht haben, schon wieder zu Ende ist. In diesem Moment erscheint es mir noch so, als würde dieser Morgen der Auftakt eines langen Aufenthalts sein. Das morgendliche Licht schneidet eine begrünte felsige Anhöhe aus dem Granitmassiv des Indian Head heraus, und ich nehme mir vor, diese Anhöhe zu erklimmen, und zwar nicht gehend, sondern laufend. Die weite Fläche des halb sandigen, halb mit niedrigem Buschwerk bedeckten Talgrunds liegt noch im Schatten, die Anhöhe selbst dagegen schon in der Sonne. Ich laufe in der Erwartung, eine wunderbare Aussicht zu haben und das Tal, in dem unsere Unterkunft liegt, überblicken zu können und mit einer berauschenden Erfahrung wieder zurückzukehren. Tatsächlich denke ich, als ich schweißgebadet oben stehe, die kühle morgendliche Luft um mich herum, ich müsse von dort Judith zurufen, sie solle auch hochkommen. Das dunstige Licht, das riesige Tal, die kaum hörbaren Motorengeräusche aus der Ferne. »Guck dir das an«, sage ich in Gedanken zu ihr. In unsere Badehandtücher gehüllt und mit den Schuhen in den Händen, gehen wir am Pool des Hotels vorbei zur Lobby. Hätten wir sie vielleicht ansprechen sollen? Sie sind das einzige Paar, das wir auf der ganzen Reise treffen. Man hätte sich miteinander bekannt machen können. Wir verlassen den Whirlpool genau in dem Moment, in dem sie aus dem Wagen steigen, den sie direkt neben unserem auf dem Parkplatz abgestellt haben. Langsam und uns den Anschein träger Unaufmerksamkeit gebend, schlurfen wir auf sie zu. Es ist unglaublich, aber es ist das Paar, das wir am Nachmittag auf dem Weg nach Borrego Springs schon gesehen haben. Sie fahren einen schneeweißen Ford Voyager und sehen wie eine amerikanische Kopie unserer selbst aus, wie Judith später beim Essen in dem Restaurant in Borrego Springs behauptet. »Findest du nicht?«, fragt sie. »Er sieht ein bisschen aus wie du.« Sie haben ihr Gepäck noch im Wagen gelassen. Ihre Blicke sind vorsichtig und zurückhaltend. Sie sind sich nicht sicher, ob das Hotel nicht in Wirklichkeit ein Privathaus ist und wir die Besitzer sind. »Sie dachten, es gehört uns«, sagt Judith. »Ja«, sage ich, »sie haben sich gar nicht getraut hereinzukommen.« »Ist das ein Hotel?«, fragt schließlich der Mann, der ein weißes Polo-Shirt und Bootsschuhe trägt. Ich schlüpfe in meine Turnschuhe. Judith hält ihre Sandalen noch in der Hand. Für einen Augenblick spiele ich mit dem Gedanken zu erklären, sie seien hier in eine geschlossene Gesellschaft geraten und wir würden es bedauern, ihnen kein Zimmer mehr anbieten zu können. Aber mir fällt nicht ein, was geschlossene Gesellschaft auf Englisch heißt, und ich ahne, dass Judith später traurig darüber sein könnte, dass wir dem Paar das Wochenende verdorben haben. Wäre der Abend anders verlaufen, wenn wir sie kennengelernt hätten? Oder ist es schon ein Zeichen von Kraftlosigkeit, dass ich nicht »Nein« sage und verhindere, dass irgendjemand sich dem Hotel auch nur nähert.
Es steht schon jetzt fest, dass in der Nacht nichts passiert ist. Wir sind eingeschlafen und dann wieder aufgewacht. Ich laufe zum Indian Head, erklimme den ihm vorgelagerten Hügel und stehe um 6.45 Uhr hundert Meter oberhalb unseres Hotels und höre das
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