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Lichtlos 1 (German Edition)

Lichtlos 1 (German Edition)

Titel: Lichtlos 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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auf dem unter meinen Füßen kaputte Muschelschalen knirschen und klappern, einen Hang hinunterlaufe.
    Der Strand ist flach und wird von einer drei Meter hohen Böschung begrenzt, die mit Gestrüpp überwachsen ist, vielleicht wilden Olearia-Arten. Die Wellen sind einen knappen Meter hoch, bilden erst spät Schaumkronen und fallen mit einem leisen Grollen abrupt in sich zusammen, als murrten schlummernde Drachen im Schlaf.
    Zehn Meter weiter nördlich nehme ich Bewegung wahr. Durch mein Erscheinen aufgeschreckt, nimmt jemand auf dem Sand eine kauernde Haltung ein.
    Ich greife unter mein Sweatshirt und ziehe die Pistole aus meinem Kreuz.
    Ich erhebe die Stimme, um das Meer zu übertönen. »Wer ist da ?«
    Die Gestalt springt auf und sprintet zu der überwachsenen Böschung. Sie ist schmächtig, knapp einen Meter vierzig groß, ein Kind, höchstwahrscheinlich ein Mädchen. Eine Fahne aus langem, bleichem Haar flattert kurz im Mondschein und verschwindet dann wieder vor dem schwarzen Hintergrund des Gestrüpps.
    Meine Intuition sagt mir, dass sie nicht diejenige ist, nach der ich auf der Suche war, aber dennoch eine Schlüsselrolle spielt, wenn ich die Wahrheit über den Stand der Dinge in Harmony Corner herausfinden will.
    Ich gehe schräg auf die Böschung zu, als ich nach Norden eile. Vor Kurzem müssen die plätschernden Wellen bis auf dreißig Zentimeter an das Gestrüpp herangekommen sein, denn jetzt, nachdem die Flut ausgelaufen ist, ist der schmale Streifen zwischen der Brandung und dem bewachsenen Hang noch feucht und fest zusammengepresst.
    Nachdem ich vielleicht dreißig Meter gelaufen bin, ohne einen Blick auf meine Beute erhascht zu haben, wird mir klar, dass ich an ihr vorbeigelaufen bin. Ich kehre um und schlage den Weg nach Süden ein, wobei ich den dunklen Hang nach einem Pfad absuche, auf dem sie durch den dichten Bewuchs gestiegen sein könnte.
    Anstelle eines Pfades entdecke ich die dunkle Öffnung eines Abflusskanals, der mir in meiner Eile, das Mädchen zu verfolgen, entgangen ist. Er ist riesig, hat einen Durchmesser von knapp zwei Metern, ist in die Böschung eingelassen und teilweise von Ranken verhangen.
    Da der nach Westen ziehende Mond mich von hinten anstrahlt, nehme ich an, dass sie mich sehen kann. »Ich will dir nichts Böses tun « , versichere ich ihr.
    Als sie nicht antwortet, zwänge ich mich durch die verhedderten Ranken und mache zwei Schritte in das riesige Abflussrohr. Ich muss jetzt eine weniger klar umrissene Silhouette für sie sein, aber sie bleibt für mich weiterhin unsichtbar. Sie könnte in Reichweite sein, vielleicht aber auch dreißig Meter entfernt.
    Ich halte die Luft an und lausche, um ihren Atem zu hören, aber der grollende Puls des Meeres wird in dem Rohr zu einem Säuseln, das mich von allen Seiten umgibt, weil es sich an den gebogenen Wänden immer wieder gleitend im Kreis dreht. Etwas so Subtiles wie die Atmung eines Kindes kann ich nicht hören – und ebenso wenig ihre verstohlenen Schritte, falls sie sich mir durch den pechschwarzen Tunnel nähert.
    Wenn man bedenkt, dass sie ein kleines Mädchen ist und ich ein erwachsener Mann bin, den sie nicht kennt, wird sie sich wahrscheinlich noch tiefer in das Rohr zurückziehen, je weiter ich gehe, statt zu versuchen, die Füße unter mir wegzureißen und zu fliehen – es sei denn, sie ist eine Wilde oder eine gefährliche Irre oder beides.
    Die gewalttätigen Zusammenstöße und übernatürlichen Erlebnisse von Jahren haben die Früchte am Baum meiner Einbildungskraft über einen bekömmlichen Punkt hinaus reifen lassen. Als ich ein paar Schritte weiter in das Rohr hineingegangen bin, lässt mich die Vorstellung von einem blonden Mädchen haltmachen: die Augen fiebrig funkelnd, die Lippen zu einem Fauchen zurückgezogen, vollkommen gleichmäßige, matt schimmernde Zähne, zwischen denen an einigen Stellen blutige Fleischfasern stecken, das Fleisch von etwas, was sie roh verspeist hat. In einer Hand hält sie eine riesige Gabel mit zwei Zinken und in der anderen ein heimtückisches Tranchiermesser, und sie ist begierig darauf, meinen Unterleib in Scheiben zu schneiden wie einen Truthahn.
    Das ist keine übersinnliche Wahrnehmung, sondern lediglich ein Schreckgespenst, ins Dasein gerufen durch das Aneinanderreiben meiner ausgefransten Nerven. Wenn diese Befürchtung auch noch so lächerlich sein könnte, erinnert sie mich doch daran, dass es, ob mit oder ohne Pistole, eine Dummheit wäre, wenn ich weiter in dieses

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