Lichtlos 3 (German Edition)
Die Markierungsleuchten und die Warnleuchten der Löschfahrzeuge blinken und rotieren tief innerhalb dieses wallenden Dunkels und schleudern rote und blaue Geistererscheinungen um sich, die einander durch den schnell dahinziehenden Rauch jagen.
Ein Türbogen verbindet das Wohnzimmer mit einer großen Wohnküche mit Kücheninsel. Krümel, alte Brotkanten, vertrocknete Käserinden, verschüttete Saucenreste, längst eingetrocknet, und schimmelnde Klumpen unidentifizierbarer Lebensmittel liegen auf den Anrichten verstreut. Zahllose Ameisen kriechen durch die Abfälle, aber sie hasten nicht emsig in effizienten Marschkolonnen, wie es die meisten gewöhnlichen Ameisen tun; stattdessen krabbeln sie planlos über die Anrichten, als hätten sie einen Giftstoff konsumiert, der sie verwirrt und ziellos macht.
Haufen von Knochen türmen sich auf dem schmutzigen Fußboden. Schinkenknochen, Rinderknochen, Hühnerknochen und andere. Manche sind aufgebrochen, als sollte der Zugang zum Mark erleichtert werden.
Eine von zwei Schranktüren unter dem doppelten Spülbecken ist aus den Angeln gerissen worden und nirgends zu sehen. Aus dem Schrankraum dahinter ergießt sich ein spröder Strom, der anscheinend aus Dutzenden von Schädeln und Skeletten von Ratten besteht, alle so säuberlich abgenagt wie ein Truthahnschlegel, den man einem ausgehungerten Mann vorsetzt. Kein Fitzelchen Haut oder Fell ist auf einem der Knochen zurückgeblieben, und nicht ein einziger schuppiger Schwanz ist weggeworfen worden.
Auf der Herdplatte: verkohlte Essensreste und Schmutz; es hat weniger von einem Herd als von einem gottlosen Altar in irgendeinem primitiven Tempel mit einer langen, unmenschlichen Geschichte grausiger Opfergaben. Ich bezweifle, dass die mit Propangas betriebenen Brenner in den letzten zwei oder drei Jahren funktioniert haben. Es muss die Vermutung angestellt werden, dass alles, was Dr. Hiskott zu sich nimmt, schon seit langer Zeit roh verzehrt wird.
Nach Angaben von Jolie und ihrer Mutter Ardys bringt die Familie ihrem Herrscher alles, was er verlangt, darunter auch große Mengen Nahrungsmittel, die sie, glaube ich, direkt hinter der Haustür abstellen. Ich bezweifle allerdings, dass sie ihm die Ratten gebracht haben.
Ich habe einen Hybriden aus einem Mann und einem Außerirdischen erwartet, der viel weiter entwickelt sein wird als ein Mensch, klaräugig und imposant, wenngleich er auch so fremdartig sein könnte, dass er nicht leicht zu verstehen ist. Diese beunruhigenden Indizien scheinen stattdessen auf Entartung hinzuweisen: wenn nicht gar ein steiler intellektueller Niedergang, dann doch zumindest eine ernsthafte Abnahme von Hiskotts Fähigkeit, an irgendwelchen kulturellen Normen festzuhalten und animalische Triebe zu unterdrücken.
Die Tür zu einer Speisekammer ist angelehnt, und dahinter herrscht Dunkelheit. Ich halte die Pistole immer noch beidhändig, als ich die Tür mit den Zehen weit aufstoße. Das bleiche Licht, das hineinfällt, zeigt leere Regale. Nicht eine einzige Dose Gemüse oder ein Glas Obst oder eine Packung Nudeln. Auf dem Boden sitzt ein kopfloses menschliches Skelett. Der Schädel liegt, getrennt von den übrigen Knochen, auf einem Regalbrett, ein losgelöster Arm auf dem Boden; ein ausgestreckter Finger deutet auf mich, als würde ich erwartet. Weder die Knochen noch der Boden unter ihnen weisen die Flecken von verwesendem Fleisch auf.
Diese Entdeckung macht eine Korrektur der Familiengeschichte der Harmonys in den letzten fünf Jahren zwingend erforderlich. Das Skelett ist das eines Kindes, vielleicht das eines Jungen von etwa acht Jahren. Falls Familienangehörige Maxy tatsächlich in einem entlegenen Winkel ihres Anwesens begraben haben, in einem Grab ohne Grabstein, dann hat sich das Hiskott-Ding entweder noch in derselben Nacht aus dem Haus gewagt, um den Leichnam für seine Speisekammer zu holen – oder der tote Junge wurde ihm überlassen, und Hiskott hat für die Familie falsche Erinnerungen an eine Beerdigung vorgefertigt. Diese abschließende Wendung der Geschichte von Maxys ohnehin schon so grässlichem Tod ist derart unschön, dass es, sollte ich überleben, meine Pflicht sein wird, sie vor ihnen zu bewahren. Weder Jolie noch irgendjemand, der ihr nahesteht, darf etwas davon erfahren, zumindest so lange nicht, bis viele Jahre der Freiheit und des Friedens diesen Teil ihrer Vergangenheit haben verblassen lassen, als sei es ein Fiebertraum gewesen.
In diesem Haus der Geheimnisse fühle ich
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