Lichtlos 3 (German Edition)
feuchter als in den hinteren Räumen.
Auf der rechten Seite der Diele bietet eine Bibliothek mit Mahagonitäfelung eine beeindruckende Sammlung von Büchern, doch sie verströmen einen unangenehmen Modergeruch.
Als ich die Lichter einschalte, flattern Unmengen von Faltern aus den Bücherregalen heraus und lassen von ihrem Festmahl aus feuchten Schutzumschlägen und schimmeligen Leineneinbänden ab, hier gibt es weitaus größere Mengen von ihnen als im Arbeitszimmer. Einen Moment lang stürzt sich der ganze Schwarm in die eine Richtung, dann in die andere, aufgeregt, aber ziellos.
Ein paar suchen an der Decke Zuflucht, andere lassen sich auf zwei Clubsesseln nieder, die mit Leder in einem Braunton bezogen sind, auf dem man sie kaum sieht, und die große Masse fliegt auf mich zu, an mir vorbei und aus dem Zimmer hinaus. Ihre weichen Körper und ihre noch weicheren Flügel streifen flatternd mein Gesicht, das ich senke und von ihnen abwende, denn die Berührung lässt mich in einem Ausmaß frösteln, das mich erstaunt.
Mitten in der Bibliothek steht ein antiker Poolbillardtisch mit kunstvoll geschnitzten Beinen und zwei geschnitzten und vergoldeten Löwen als Querstreben, die die Beine miteinander verbinden. Silberfischlein huschen über den grünen Filz der Spielfläche und verschwinden in den Taschen.
Selbst in einer noch so verstörenden Umgebung, in Gegenwart von zutiefst korrupten Menschen, die es auf nichts Geringeres abgesehen haben als darauf, mich zu töten, neige ich dazu, einem der Übel, zwischen denen ich die Wahl habe, immer noch etwas Komisches abzugewinnen. Diesmal nicht. Die Atmosphäre in diesem Haus ist verpestet, vergiftet, so ungesund, dass ich das Gefühl habe, hier zu atmen sei das Gefährlichste, was ich jemals getan habe.
Am einen Ende des Pooltischs liegt ein Gegenstand, der bei näherer Betrachtung nicht weniger rätselhaft ist als aus der Ferne. Er ist rund, aber nicht vollkommen rund, hat einen Durchmesser von etwa einem Meter fünfzig und ähnelt nichts so sehr wie einer gigantischen Version des Medizinballs, den Männer einander zur sportlichen Betätigung zugeworfen haben, bevor Fitnessstudios mit Hightech ausgerüstet wurden. Der Gegenstand ist in verschiedenen Grautönen gesprenkelt und körnig wie Leder, aber er hat keine Nähte, und der Lackschimmer ähnelt keinem Lackleder, das ich jemals gesehen habe. Einige der Glühbirnen in dem Kronleuchter über dem Pooltisch sind ausgebrannt, aber das vorhandene Licht lässt die Oberfläche dieser unergründlichen Konstruktion ganz ähnlich schimmern, wie Mondschein auf dunklem Wasser spielt.
Meine Wahrnehmung der Natur des Objekts verändert sich von einem Moment auf den nächsten, als sich die Oberfläche als nicht etwa lackiert, sondern nass erweist. Eine Perle Feuchtigkeit quillt heraus und rinnt an der gebogenen Form herunter und auf den Teppich. Dann windet sich etwas innerhalb des großen Balls.
Als ich eilig zurückweiche, erweist sich die Oberfläche des Dings eher als so etwas wie ein Umhang, aber nicht aus Stoff, sondern aus Haut, die sich jetzt mit einem feuchten, glitschigen Geräusch zurückzieht und eine kauernde Gestalt freilegt, die sich während dieser Enthüllung mit alarmierender Munterkeit zu einer Größe von gut zwei Metern aufrichtet. Die Gliedmaßen sind auf eine Weise zusammengefügt, die eher an Maschinen als an Knochen denken lässt, aber das hier ist kein Roboter. Das Ding wirkt sowohl reptilienhaft als auch insektenhaft, und das Fleisch ist auf seinen Armen und Beinen so straff gespannt, dass es hutzelig, aber dennoch kräftig erscheint. Im Rumpf und in der Schulterhaltung scheint es weniger reptilienhaft und weniger insektenhaft als menschlich zu sein, immerhin steht es aufrecht. Die graue umhangartige Hautmasse fällt in Falten um es herum, weniger wie ein Mantel, sondern eher wie ein Cape, und sein Fleisch ist ansonsten bleich mit schlammig gelben Schlieren.
Ich würde ja fortrennen, aber ich weiß, dass es eine Aufforderung zum Angriff sein wird, wenn ich ihm meinen Rücken zuwende. Außerdem zeugt alles an ihm von Geschwindigkeit, und es wird mich haben, bevor ich ein Dutzend Schritte weit gekommen bin.
Aufgrund meiner gestörten Mutter und ihrer Neigung, als hauptsächliche Technik der Kindererziehung Zuflucht zu Drohungen mit Schusswaffen zu nehmen, habe ich mein Leben lang eine Abneigung gegen Waffen gehabt, doch in diesem Moment liebe ich die Waffe in meinen Händen. Ich zögere nur deshalb, sie
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