Lichtlos 3 (German Edition)
ihr es wissen wollt: Das Dritte, was uns verrückt macht – oder was mich verrückt macht, da Ed einfach nicht in der Lage ist, sich verrückt machen zu lassen – , ist der Gedanke an diese drei Gäste des Motels, die Hiskott im Lauf der Jahre in sein Haus geholt hat, diese Einzelgänger, die von niemandem vermisst wurden und die nie wieder rauskamen. Ed glaubt, der verrückte alte Hiskott könnte vielleicht mehr mit ihnen angestellt haben, als sie nur seiner Bewusstseinskontrolle zu unterziehen. Er sagt, nach dieser Injektion von Zellen der Aliens und nach all der Zeit ist Hiskott jetzt vielleicht mehr Alien als Mensch, und daher konnte er diese drei infizieren und sie auch zu etwas Fremdartigem machen. Ihr wisst schon, wie bei einem Vampirbiss oder etwas weniger Doofem als einem Vampirbiss. Ed weiß alles, was Hiskott und sein Team über die ET s in Erfahrung gebracht haben, weil er Zugang zu diesen Aktendateien hat. Er sagt, das sind enorm gruselige Sachen. Womit auch immer Oddie es in diesem Haus zu tun bekommt – es wird bestimmt keine Unheimliche Begegnung der dritten Art im knuddeligen Spielberg-Stil sein.
Im Lauf der letzten fünf Jahre habe ich jeden Abend all meine Gebete gesprochen und nicht eine Nacht ausgelassen, obwohl ich zugeben muss, dass für mich wahrscheinlich vor einem Jahr Schluss damit gewesen wäre, wenn es meiner Mutter nicht deshalb das Herz gebrochen hätte. Ich meine, wenn ich darum bete, frei von Hiskott zu sein, dann erwarte ich doch bloß, bald frei von ihm zu sein, und dann, wenn das Gebet nie erhört wird, fühlt man sich noch schlechter, und man fragt sich, was das soll. Ich kritisiere Gott nicht, falls ihr das meint, weil niemand weiß, warum Gott Dinge tut oder wie Er denkt, und Er ist gewaltig viel klüger als einer von uns, sogar noch klüger als Ed. Es heißt, Seine Wege sind unergründlich , was mit Sicherheit wahr ist. Ich will damit sagen, vielleicht ist das ganze Beten eine Idee der Menschen, vielleicht hat Gott uns nie dazu aufgefordert. Ja, schon gut, Er will, dass wir Ihn mögen, und Er will, dass wir Ihn respektieren, und daher leben wir gottgefällig und tun Gutes. Aber Gott ist gut – stimmt’s? – , und um wirklich gut zu sein, muss man Demut besitzen, das wissen wir alle, und wenn Gott der Beste der Besten ist, dann ist Er also auch der Demütigste der Demütigen. Stimmt’s? Also ist es Ihm vielleicht peinlich, rund um die Uhr gepriesen zu werden, ständig als groß und allmächtig bezeichnet zu werden. Und vielleicht geht es Ihm ein bisschen auf den Keks, dass wir Ihn andauernd bitten, unsere Probleme für uns zu lösen, statt wenigstens zu versuchen, sie selber auf die Reihe zu kriegen. Schließlich hat Er uns so geschaffen, dass wir es können sollten. Das Komische ist jedenfalls, dass ich – nachdem ich das Beten fast aufgegeben hätte und verflixt sicher war, dass Gott zu demütig ist, um den ganzen Tag rumzusitzen und uns zuzuhören, wie wir beten und Ihn um Dinge bitten – jetzt wie verrückt für Oddie bete. Vermutlich bin ich ein hoffnungsloser Fall.
24
Als ich das Ende des Flurs im Erdgeschoss erreiche, ertönt hinter mir das klappernde Geräusch des Drehknopfs an der Innenseite der Kellertür. Die Tür ist eine reichlich robuste Mahagoniplatte, der Riegel dick, die Angeln sind aus geschwärztem Eisen. Es wird große Mühe kosten, sie einzureißen, und der Lärm wird mir reichlich Vorwarnung geben. Das Klappern hört auf, alles ist wieder still.
Die schmalen, sechsscheibigen Fenster zu beiden Seiten der Haustür lassen nur ein schwaches und frostiges Licht in die Diele ein, was zum Teil daran liegt, dass in beträchtliche Teile des Glases mit Säure Muster von Weinranken geätzt sind. Außerdem weist die Veranda vor dem Haus nach Westen, fort von der größten Helligkeit der Morgensonne. Eine dicke Staubschicht färbt die Fensterbänke grau, und sie sind mit toten Stechmücken, toten Fliegen und toten Spinnen übersät.
Ein »formelleres « Wohnzimmer zu meiner Linken ist vollgestopft mit Chesterfield-Sofas mit Blumenmustern, die mit Zierkissen beladen sind, ansehnlichen Ohrensesseln mit Fußschemeln, Sammlervitrinen und etlichen Pflanzenständern, von denen einst gedeihende Farnsträucher jetzt in braunen Büscheln ausgetrockneter Wedel herunterhängen; auf dem Teppich unter ihnen liegen die abgestorbenen Fiederblättchen herum. Überall finde ich Staub, Spinnweben und Stille vor, und die Luft erscheint mir zur Vorderseite des Hauses hin
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