Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
über die Spitze seiner Zunge, nur um ihren Mund gleich darauf wieder fiebrig gegen seinen zu pressen. Sie verkreuzte ihre Arme hinter seinem Nacken und klammerte sich mit erschreckender Kraft an ihm fest.
Die erste Akkadia, die er küsste.
Und es gefiel ihm.
Naham schnurrte wohlig in seinem Inneren und Ju verlor sich beinahe in der Wildheit ihres Kusses.
Beinahe.
Den drohenden Angriff nahm er im letzten Moment wahr.
Er löste sich von Elíns heißen Lippen und spähte an ihrem Kopf vorbei in die Dunkelheit, zückte sogleich das Messer und wehrte den ersten Schwerthieb des Taryk gekonnt ab.
„Halt dich fest!“
„Was zur –?“
Mit Elín an sich geklammert wich er dem Dolch des zweiten Taryk aus. „Ich brauche meinen Langstock!“
Sie fummelte am Bambusrohr auf seinem Rücken herum und zog den Langstock hervor, eine Gelegenheit, die der erste Taryk nutzte, um ihrem ausgestreckten Arm einen tiefen Schnitt zu verpassen.
Elín schrie auf. Akkadischer Blutduft drang in Jus Nase.
„Das hast du gerade nicht getan!“, knurrte er seinem Gegner zu.
Er sprang außer Reichweite, ergriff seinen Gùn und reichte Elín stattdessen das Messer nach hinten, befreite die zwei mehrfach gewalzten Klingen und parierte den nächsten Schwerthieb.
Elín stellte für ihn kein Gewicht dar, nur seine Bewegungsfreiheit war etwas eingeschränkt. Aber mit dem frischen Blut in seinen Adern wäre auch das kein Problem.
Der Akkadier duckte sich zusammen mit ihr unter dem Schwert hindurch und rammte seine Klinge bis zum Heft in die Seite des Taryk, trieb sie aufwärts und stieß den Seelenreißer von sich. Dieser ließ die Waffe fallen und sackte stöhnend zusammen.
„Ju!“, rief Elín und fuchtelte mit dem Messer hinter seinem Rücken umher.
Er wirbelte herum und zog das Eisen des Langstocks quer durch den Körper des zweiten Taryk. Elín keuchte, als sie den ersten zu Gesicht bekam. Doch darauf konnte Ju jetzt keine Rücksicht nehmen. Er holte erneut aus und führte die Klinge durch Haut, Sehnen und Knochen des Halses, bis der Kopf des Seelenreißers zu schwarzem Rauch verpuffte.
Elíns Druck auf seine Kehle wurde stärker. Sie hatte einfach zu viel Kraft.
Ju wandte sich wieder dem ersten Taryk zu. Genau in dem Moment, als dieser sein Messer nach vorn stieß.
Elíns Atem blieb stehen.
Die Klinge glitt in ihren Rücken.
Und in Ju erwachte schlagartig unbändige Wut und Entsetzen darüber, dass er sie nicht hatte beschützen können.
Wie von selbst verlor sie die Kraft, sich an ihn zu klammern. Er ließ sie zu Boden, warf den Langstock beiseite und brüllte dem Taryk sein Todesurteil entgegen. Naham wollte Rache. Der Schein in Jus Augen wurde schmerzhaft grell, Klauen schossen aus seinen Finger hervor. Mit einem einzigen Satz hatte er die Entfernung zum Seelenreißer überwunden und trieb seine Krallen mit ganzer Kraft in dessen Hals. Blanker Schmerz zierte die dunkelhäutige Fratze. Und schon im nächsten Moment flog der Kopf davon und löste sich auf.
Ju kämpfte mit der Bestie. Sie wühlte sich durch seine Adern, fraß sich ins Freie und wollte raus.
Er biss die Zähne zusammen und atmete langsam und gleichmäßig, und allmählich wurde Naham wieder ruhiger.
Elíns Wehklagen erreichte sein Gehör. Er drehte sich um und rannte zu ihr. Sie lag zusammengrollt wie ein Embryo auf der kalten Erde und zitterte am ganzen Leib. „Es tut so weh“, flüsterte sie mit gebrochener Stimme.
Die Wunde lag am unteren Rücken, links von der Wirbelsäule. Hatte wahrscheinlich eine Niere erwischt. Nicht gut. Gar nicht gut.
„Ganz ruhig, Elín. Das wird schon“, beteuerte er ihr und streichelte über die schweißnasse Wange. Sie hatte die Augen zusammengekniffen und reagierte nicht auf ihn.
Es war viel zu kalt hier draußen. Elíns Bestie brauchte Wärme zur Heilung. Zumindest hoffte Ju, dass das helfen würde. Die kleinen Quellen hier reichten jedoch nicht aus. Er musste etwas Größeres finden. Musste sich beeilen.
Sie braucht dich!, mahnte seine Bestie.
Der Akkadier sammelte den Leinenmantel auf, den Elín während des Kampfes fallengelassen hatte, und hüllte sie darin ein. Vorsichtig schob er die Arme unter ihren bebenden Körper, hob sie hoch, orientierte sich nach Norden und lief los. Durch seine Hände sickerte warmes Blut.
„Halte durch!“, flüsterte er und bahnte sich einen Weg durch die eisige Landschaft.
Mit klopfendem Herzen verfolgte Diriri die langen Schritte ihres Kriegers. Die Sorge, die sein Gesicht
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