Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
die vor Ort getötet wurde und Wochen später als Akkadia zurückkehrte, hatte er Vorwürfe gemacht – natürlich nur innerlich. Doch auch dafür schämte er sich jetzt.
„Ju?“ Selenes Stimme drang hinter Rovens breiter Figur hervor. Sie kam die Treppe hinunter und blieb freudestrahlend neben ihrem Gefährten stehen. „Der Göttin sei Dank, es geht dir gut! Was machst du denn hier? Wir wollen gleich Abendbrot essen. Setz dich doch zu uns!“
„Ich … kann nicht bleiben.“
Roven musterte ihn. „Alles okay?“ Er wandte sich Selene zu und klemmte ihr eine bläulich schimmernde Haarsträhne hinters Ohr. „Geh schon mal vor, ich komme gleich nach.“
Sie lächelte und küsste ihn. Ju sah zur Seite.
„Ich hoffe, wir sehen dich in nächster Zeit öfter.“ Sie drückte zögerlich seinen Arm und verschwand nach rechts durch den Torbogen zum Esszimmer. Roven sah ihr sehnsüchtig nach.
„Ich störe euch“, begann Ju.
„Quatsch! Du hast mir mehr als einmal das Leben gerettet und bist hier jederzeit willkommen.“
„Ich … wusste nicht, wohin“, gestand er, ohne es verhindern zu können.
Roven legte ihm die Pranke auf die Schulter und zog ihn mit durch die breite Eingangspforte nach draußen. Er musterte ihn und sah dann auf zum nachtschwarzen Himmel.
„Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Nur …“, er stieß die Luft mit einem Grinsen aus, „… hatte ich nie erwartet, ihn mal an dir zu sehen, Mönch.“
„Ich sollte wieder gehen.“
„Ju, verdammt. Dalan, wenn du hierher in mein Heim kommst, will ich verflucht sein, wenn ich dir nicht irgendwie helfen kann. Wo bist du gewesen?“
„Island.“
Roven nickte. „Diriri.“
„Ja.“
„Hat dein Weg dich befreit?“
„Nein. Im Gegenteil.“ Ju erzählte dem Schotten von Elín, ließ die verfänglichen Details jedoch aus.
„Was können wir tun? Meinetwegen bring sie nach Avenstone. Sie macht das gleiche durch, was Selene erst vor kurzem erlebt hat. Du weißt doch, Weiber unter sich.“ Roven schnaufte mit einem sehnsüchtigen Ausdruck in den Augen.
„Island ist ihre Heimat. Solange sie sich nicht davon gelöst hat, kann ich sie nicht fortzwingen.“
„Mhm. Brauchst du irgendetwas?“
Ju nickte, als ihm dämmerte, was er mitnehmen könnte.
Kapitel 8
Mit einer völlig neuen und unbekannten Zufriedenheit im Inneren stieg die Akkadia selbstbewusst aus der dampfenden Quelle und schaute sich um.
Sie war nackt und liebte es. Liebte den eiskalten Wind, der ihrem nassen Körper eine Gänsehaut bescherte und ihr Haar komplett zerzauste. Sie fühlte sich mächtig und unschlagbar, würde es mit allem und jedem aufnehmen.
War sie noch sie selbst?
Ja. Elín erkannte sich wieder. Nur ihr Körper, ihre Muskeln und vor allem ihr Herz arbeiteten kraftvoller, dynamischer, impulsiver – waren kurz davor, ihre Energie in einem gewaltigen Schrei nach draußen zu jagen. Aber Elín behielt sich unter Kontrolle. Und behielt dieses lebendige Gefühl ganz in sich drinnen. Es gehörte ihr allein. Und Naham. Nur ihnen beiden.
Plötzlich begann die Haut auf ihrem linken Oberschenkel zu leuchten. Elín sah nach unten und beobachtete das Glitzern, das sich einen Weg in die Freiheit bahnte. Es nahm Form an, Gestalt.
Sie lächelte, als sie begriff.
Auf ihre Haut zeichnete sich das Abbild ihrer Bestie. Sie war blond, wie Elín sie aus ihrem Traum in Erinnerung hatte. Bildschön, mit massigen Hörnern und riesigen Fängen. Und es sah aus, als klammerte sich Naham an Elíns Schenkel fest. Sie schlang die Vorderläufe um ihr Bein herum, krallte sich in Elíns linke Pobacke und schmiegte den Kopf in ihren Schoß. Jedes feine Härchen konnte man erkennen. Kleine, glitzernde Perlen schmückten das lichtgelbe Fell. Die Augen brannten weiß und voller Anmut und Nahams Klauen konnte Elín beinahe in ihrer Haut spüren.
Sie streichelte die Mähne ihres Löwen und fühlte ihre eigene Berührung am Kopf.
„Cool!“, grinste sie unweigerlich.
Und noch etwas hatte sich verändert – ihr Geschlecht war nackt, komplett. Elín konnte nicht anders, sie musste sich berühren und holte sogleich zischend Luft. Eigenartig. Viel intensiver als früher, direkter. Es gab nichts mehr was Haut von Haut trennte. Auch an ihren Armen und Beinen war kein Flaum zu fühlen oder sehen. Die einzigen Haare, die sie noch besaß, befanden sich an ihrem Kopf und über ihren Augen. Was soll’s, auf den Rest konnte sie verzichten.
Ein heiseres Räuspern ertönte hinter ihr.
Elín drehte
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