Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
zweite Tür, die wieder nach draußen führte. Durch allerhand Gestrüpp hindurch konnte sie am Ende einen Steg und den anschließenden See erkennen.
„Ist das groß genug?“
„Ähh. Ja. danke.“
„Prima!“ Daman spähte kurz nach oben in den finster werdenden Himmel und warf die Tür wieder ins Schloss. „Theoretisch würden wir es bis Einbruch der Nacht über den See schaffen. Aber da du deinen Pflichten nicht entsagen möchtest, werden wir erst morgen früh losstarten.“
„Warum das?“
Er ließ sich rücklings aufs Bett fallen, schaute an die Decke und trommelte mit den Fingern auf seinem nackten Bauch herum. „Alles, was man auf dem Weg ins Reich der Satoren durchqueren muss, dient ihnen als Schutz. Dementsprechend gibt es nicht nur in den Wäldern lustige Wesen, sondern auch in den Gewässern. Und die würden uns bei Dunkelheit keine Chance lassen.“
„Oh.“
„Genau.“ Er rollte sich zur Seite, stützte seinen Kopf ab und schaute sie an, während seine linke Hand über die Bettdecke strich.
„Das mit deinem Hemd tut mir leid“, sagte sie, auch um sich selbst davon abzuhalten, sein Muskelspiel zu verfolgen.
„Kein Thema.“ Er versuchte, harmlos zu lächeln. Doch sie erkannte sehr gut, dass seine Gedanken gerade weniger harmlos waren.
„Nun musst du den Rest des Weges unbekleidet herumlaufen“, stellte sie fest und es gefiel ihr nicht.
„Ach. Ich habe notfalls noch ein paar Sachen hier im Schrank zu liegen.“
Der Göttin sei Dank!
„Dann“, sie deutete mit der Hand auf den Schrank, „solltest du dich ankleiden.“
„Was stört dich an meiner Nacktheit?“
Sie stieß ein ungewohnt nervöses Lachen aus. „Nichts! Aber die Temperaturen werden beim Unwetter schnell abfallen. Dann willst du dich doch sicher nicht erkälten.“
Er warf sich zurück und brach in schallendes Gelächter aus, wobei die einzelnen Erhebungen seines Bauches in wellenartige Bewegung versetzt wurden.
Scheinbar musste er sich Tränen aus den Augen wischen, dann sah er sie wieder an, den geschwungenen Mund noch immer amüsiert verzogen.
„Du hast Recht, kleine Göttin!“, kicherte er. „Als Sator und Geschöpf des Götterreiches leide ich erschreckend oft unter Husten und Schnupfen.“
Daman sprang vom Bett auf, öffnete den Schrank und zog sich ein weißes Hemd über, ohne es zuzuknöpfen.
„Gut. Ich sorge mich ja nur“, stammelte sie und fand sich langsam selbst lächerlich.
„Schon klar.“ Er schmunzelte breit. „Brauchst du noch irgendetwas?“
„Kann ich mich denn im See frisch machen, ohne auf … Gesellschaft zu stoßen?“
„Wessen Gesellschaft meinst du? Die dort lebenden Wesen lassen sich am Tag nicht blicken. Bei mir allerdings wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.“
Sie runzelte die Stirn. „Du wirst doch sicher die entsprechenden Manieren besitzen, einer Göttin ihrer Privatsphäre zu gewähren.“
Er grinste mit einem Blitzen in den Augen und verneigte sich. „Natürlich.“ Als er sie wieder ansah, sagte er: „Ich bin die Straße runter in der Bar, wenn du mich brauchst.“
Daman lief an ihr vorbei und wollte gerade hinaus.
„Warte mal! Du lässt mich hier allein?“
„Du bist doch schon groß, oder?“
„Ja, aber –“
„Ganz ruhig, Mädchen“, fiel er ihr ins Wort und hob besänftigend die Hände. „Das an die Hütte angrenzende Gebiet ist geschützt. Du bist hier sicher und kannst dich völlig frei bewegen. Spring nur bitte nicht mit blankem Hintern in den See und geh auf Tauchkurs. Das könnte … Jäger anlocken.“ Er zwinkerte und ließ sie allein.
Die Zweideutigkeit hatte sie verstanden, war aber zu müde und ausgelaugt, um sich noch länger darüber aufzuregen. Wenn sie Roven gegenübertrat, wollte sie halbwegs normal wirken. Die Strapazen der letzten Stunden sollte er ihr nicht ansehen. Nur gegen ihre Kleidung konnte sie nichts ausrichten.
Jolina verließ die Hütte durch die hintere Tür und schritt vorsichtig durch das Gestrüpp, bis sie den Steg erreichte. Der See lag genauso grau und unheilvoll da, wie der Himmel sich momentan zeigte. Vom Licht der drei Sonnen war nichts mehr zu sehen und die Wasseroberfläche wirkte wie ein schwarzes Loch. Sie hoffte, Daman hatte Recht mit der Behauptung, dass es tagsüber nichts zu befürchten gab. Aber worauf sollte sie sich hier in dieser fremden Gegend schon verlassen, wenn nicht auf ihn?
Vorsichtig ging sie ein paar Schritte auf dem knarrenden Steg entlang, bis sie seichtes Wasser
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