Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
hierher hatte es keine Häuser gegeben. Die Bar konnte also nur links liegen.
Jolina verkroch sich in den Umhang, doch ihre nackten Füße wurden in den Sandalen unweigerlich nass. Und dreckig.
Sie sah nach vorn und konnte ein paar Lichter erkennen. Lichter!, dachte sie nervös. Nur nicht zu genau hinschauen!
Doch ihre Sorge war unbegründet. Nach einer Weile kam sie an ähnlichen Holzhütten wie der des Sators vorbei. Musik und schallendes Gelächter drangen nach draußen. Sie fragte sich, wer in solch gefährlicher Umgebung wohnte.
Eine Tür flog scheppernd auf, aus der ein grobschlächtiger Kerl hinausgestoßen wurde. Von einer Frau, wie Jolina beim Vorbeigehen erkannte. Als sie die Halbgöttin erblickte, verfinsterte sich die eben noch freundliche Miene.
„Komm rein!“, brüllte sie dem Mann zu, der sich gerade aufrappelte.
Er schaute Jolina an, grinste mit schwarzen Zähnen und taumelte auf sie zu.
„Azrael!“, schrie die Frau und kam die Stufen hinunter, packte ihn am Kragen und schleifte ihn zurück ins Haus, als würde er nichts wiegen.
Sie warf Jolina einen vernichtenden Blick zu und rammte die Tür wieder ins Schloss.
Beide hatten wie Menschen ausgesehen, konnten aber keine sein.
In einiger Entfernung flackerte eine Leuchtschrift auf und zog Jolinas Aufmerksamkeit zurück auf den Weg. Sie ging weiter und versuchte die Zeichen zu erkennen. Stand da tatsächlich ‚Zur Saftgrotte‘? Das musste dann wohl die sogenannte Bar sein.
Es war das einzige Gebäude, das aus massiven Steinwänden bestand. Zwei Säulen rahmten den Dreietagenbau ein, der verhältnismäßig ruhig wirkte. Eine Schwingtür stellte den Eingang dar. Doch weder über noch unter den Türen hindurch konnte man irgendetwas erkennen oder hören.
Der Regen wurde nicht weniger. Jolina eilte die Stufen hoch auf die überdachte Terrasse und streifte sich die Kapuze vom Kopf. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte über das Holz hinweg. Ging anschließend in die Knie und schaute unten hindurch. Aber auch von hier war alles, was sie sah, Schwärze. Vielleicht gab es hinter den Türen noch Vorhänge, die den Blick ins Innere der Bar verwehrten. Schon komisch.
Die Halbgöttin sah sich noch einmal kurz um und stieß die Türen auf.
Von einem auf den anderen Moment verschwanden Dunkelheit und Stille. Und jeder im Raum schaute in ihre Richtung. Plötzlich lachten alle. Es war ein Trick gewesen. Man hatte sie von drinnen beobachten können. Na prima!
Die ‚Saftgrotte‘ war gut besucht, jeder Stuhl mit Gestalten besetzt – Wesen, die Jolina nie zuvor gesehen hatte. Überall wirbelten Hörner, Schwänze und Schwerter durch die Luft. Biergläser wurden krachend auf die Tischplatten gestemmt oder über den Tresen geschleudert. Genauso wie die ein oder andere Frau. Es gab Billardtische, Dartscheiben und eine kleine Bühne, auf der ein Nihr zusammen mit einem zweiten Mann in fragwürdiger Qualität Karaoke sang.
Mittlerweile hatten sich alle wieder ihren eigenen Angelegenheiten zugewandt. Jolina ging vorsichtig zwischen den Tischen hindurch und steuerte auf den Tresen zu, an dem sie einen freien Hocker entdeckt hatte. Sie quetschte sich an zwei Riesen vorbei und fand ihren Platz, setzte sich und stieß die angehaltene Luft aus.
Ein breiter Kerl stapfte hinter der Bar auf sie zu. Sein Haar schimmerte grau, genauso wie der Vollbart. Er trug ein kariertes Hemd, wischte eines dieser riesigen Biergläser mit einem Tuch trocken und musterte sie aus faltigen, sehr menschlich wirkenden Augen.
„Na Süße. Du bist wohl falsch abgebogen“, sagte er mit einer überraschend warmen Stimme.
„Ich, ähm. Mein Freund muss hier irgendwo sein.“
Er lachte auf und stellte das Glas ab, beugte sich mit Unterarmen, die so groß wie Jolinas Oberschenkel waren, auf dem Tresen zu ihr hinüber. „Sag das lieber nicht zu laut. Hier wären sicher viele gern dein Freund!“
Die Halbgöttin sah sich nervös um und entdeckte mindestens zwei Männer, deren Blicke ihr einen Schauder über den Rücken jagten.
„Was darf ich dir denn bringen?“
„Lieber nichts“, antwortete sie und hielt den Umhang noch fester an sich gepresst.
Er lächelte zutraulich. „Na, ein hausgemachter Saft wird doch wohl nichts schaden, oder?“
„Woraus ist der denn?“
„Aus Beeren.“
„Beeren aus dem Wald, wo die Moali leben?“
Er zuckte erschrocken mit dem Kopf. „Nicht doch, Süße. Das sind Selbstgeerntete aus meinem Garten.“
Sie wollte ihm glauben, tat
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