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Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)

Titel: Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Bay
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sich trotzdem schwer damit. „Ich habe nicht einmal Münzen bei mir“, versuchte Jolina sich herauszureden.
    Der Barkeeper zwinkerte. „Geht aufs Haus.“
    Er marschierte nach links und sie hatte Mühe ihm zu folgen. Der breite Rücken ihres Nachbarn versperrte die Sicht. Sie lehnte sich nach vorn und weckte damit scheinbar sein Interesse. Sehr langsam drehte er sich auf dem wackligen Hocker zu ihr herum und Jolinas Augen wurden größer, je mehr sie von ihm zu sehen bekam.
    An seinem Körper war rein gar nichts Menschliches zu finden. Der Arm, den er eben auf den Tresen gepackt hatte, war über und über mit hellbraunem Fell bedeckt und die Finger verformten sich am Ende zu schwarzen Krallen. Den gewaltigen Bizeps zierten verschiedene Lederbänder. Über der massigen Schulter spannte sich eine schwarze Weste, aus der ein behaarter Hals herauswuchs. Das Fell setzte sich in seinem Gesicht fort. Der Mund … nein, die Schnauze wirkte riesig, wie alles andere an ihm. Seine Nase glich der eines Bullen und war mit einem breiten Silberring durchstoßen. Aus dem Kopf wuchsen dunkle Hörner zur Seite und richteten sich in der Mitte nach oben auf. Nur seine Augen, die Jolina jetzt unverwandt musterten, wirkten alles andere als gefährlich. Rehbraun und mit großen Pupillen begegneten sie ihrem Blick.
    Die Halbgöttin schloss ihren offen stehenden Mund und zwang sich wegzusehen. Wenn sie sich recht erinnerte, wurden diese Wesen Alimbû genannt. Die Nachkommen des einstigen Himmelsstieres mussten heutzutage fast ausgerottet sein. Man hatte sie als Soldaten für Schlachten geopfert. Dabei galten sie früher als gottgleich und waren von Sterblichen wie Unsterblichen gleichermaßen verehrt worden.
    Ein grunzendes Lachen entstieg der Kehle des Alimbû. Ein ansteckendes Lachen. Sein Brustkorb wippte dabei und brachte die Lederweste zum Knarren. Plötzlich krachte seine riesige Faust neben ihr auf den Tresen. „Da tritt mich doch ein Ochse!“, rief er aus. Eine Stimme, so rau und gleichzeitig freundlich, wie es sie nur selten geben konnte.
    Jolina schaute zu ihm auf und lächelte zögerlich.
    „Da lebe ich jetzt seit so vielen Jahrhunderten“, fuhr er fort, „und lerne doch heute tatsächlich eine waschechte Halbgöttin kennen.“ Er kicherte weiter vor sich her. Falls man es in dieser Tonlage überhaupt kichern nennen konnte. „Oh, verzeih meine Manieren. Ich heiße Goran.“
    Der Alimbû nickte mit dem behaarten Kopf, als würde er eine Verbeugung machen. Jolina wich kurz vor den sich nähernden Hörnern zurück, doch ihre Angst verflog langsam.
    „Jolina“, stellte sie sich vor und hielt ihm ihre Hand hin.
    Goran verschob seine Schnauze zu einem Lächeln und nahm ihre vergleichsweise winzige Hand in seine. Das Fell war weich und warm. „Freut mich tierisch, Jolina! Aber sag mal“, er ließ ihre Hand wieder frei und legte seine auf dem Oberschenkel ab, „was machst du denn bloß hier in dieser Gegend? Das kann doch nicht gut sein, so weit weg von deinem Zuhause.“
    Sie bekam ihren Saft in einem Holzbecher vor die Nase gestellt. Der Barkeeper zwinkerte und kümmerte sich dann um die anderen Gäste.
    Goran beugte sich skeptisch über den Becher und schnupperte hinein. Auf Jolinas fragenden Blick hin antwortete er: „Man weiß nie, was der einem hier bringt. Ich wollte nur auf Nummer sicher gehen, dass du mir nicht beim ersten Schluck vom Hocker polterst.“ Er stieß ein kurzes Lachen aus. „Aber jetzt erzähl doch mal. Mir ist ganz komisch dabei, dich hier zu sehen. So etwas Wertvolles, also ehrlich!“
    „Oh, ich bin nicht allein unterwegs“, erklärte sie.
    „Nicht? Soso, und wer begleitet dich?“
    Jolina überlegte, wie viel sie einem Fremden erzählen sollte. Natürlich würde er kaum zu ihrer Mutter gehen und sie verraten. Aber angesichts der Tatsache, dass es allgemein gefährlich war, allein das Wort ‚Kehrseite‘ zu erwähnen, hielt sie sich lieber zurück.
    „Ein Freund“, lächelte sie und trank einen Schluck vom Beerensaft.
    Als Halbgöttin musste sie nicht zwangsläufig Nahrung zu sich nehmen. Schon gar nicht, solange sie das Götterreich nicht verließ. Doch selbst auf der Stadtinsel wurden Früchte und Säfte angeboten. Aber nichts schmeckte annähernd so gut wie dieser Saft. Er war dickflüssig, angenehm süß und irgendwie schwer – einfach echt. Nicht so künstlich wie die Dinge, die sie von zu Hause kannte. Jolina nahm gleich noch einen Schluck und spülte den Schrecken der letzten Stunden

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