Lichtraum: Roman (German Edition)
Irgendwo in diesem Wirrwarr aus Elendsbehausungen steckte der Navigator eines Schiffs der Weisen, der zugestimmt hatte, als ihr Verbindungsmann zu fungieren.
Die meisten der Notunterkünfte, an denen sie vorbeikam, bestanden aus Plastik- und Metallschrott, manchmal sogar aus mächtigen, nicht gut ausbalancierten groben Steinplatten, die aussahen, als könnten sie beim ersten kräftigen Stoß umkippen und die darunter befindlichen Personen erschlagen. Licht spendete
eine Kombination aus Glühkuppeln und einem, wie Dakota annahm, biolumineszierenden Pilz, der die Decke sowie die oberen Teile der aufstrebenden Säulen mit einem dichten Geflecht überzog. Ihre Nase kribbelte von den mannigfachen Gerüchen der vielen Kochfeuer, die einen bleichen, flackernden Schein auf die Sockel der Säulen warfen und die Luft mit einem Mief aus Gewürzen und verkohltem Fleisch verpesteten. Sie fragte sich, ob einer dieser Gestrandeten, die ringsum schliefen, redeten und aßen, wirklich daran glaubte, dass die doch gewiss erhoffte Rettung eines Tages tatsächlich eintreten würde.
»Miss Merrick?«
Sie drehte sich um, sah, wie sich in der Düsternis eine Gestalt abzeichnete, und wusste sofort, dass das der Mann war, nach dem sie suchte. Die Gestalt entpuppte sich als ein unglaublich hochgewachsener Schwarzer Ende zwanzig, mit dem üblichen kahlrasierten Schädel eines Maschinenkopfs.
»Miss Merrick«, wiederholte er und griff lächelnd nach ihrer Hand. »Leroy Rivers. Ich find’s wunderbar, dass ich Sie endlich kennenlerne.«
»Ich habe Ihnen zu danken«, erwiderte sie. »Ich war mir nicht sicher, ob ich mich ohne Hilfe an diesem Ort zurechtfinden würde.«
»Weiß sonst niemand, dass Sie hier sind?«, Er hatte eine präzise Sprechweise, jedes Wort und jede Silbe waren sorgfältig artikuliert.
Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind der Einzige, dem ich mich anvertraut habe.«
Rivers beugte sich ein wenig zu ihr herunter und senkte die Stimme. »Wir sollten nicht trödeln. Jede Sekunde, die wir länger als unbedingt nötig hier verweilen, stellt ein Risiko dar. Ganz in der Nähe habe ich ein Transportmittel, und es ist mir gelungen, in der kurzen Zeit, die mir zur Verfügung stand, einen der Gegenstände zu organisieren, um die Sie mich baten.«
Sie nickte, und er lotste sie zu einem kleinen, offenen Wagen mit Schlepperrädern, der unweit einer Säule parkte. »Nehmen Sie an der Hilfsoperation teil?«, erkundigte sie sich.
Er lachte. »Ja, dieser Gedanke steckt dahinter, aber genauso gut könnte man versuchen, ein leckgeschlagenes, sinkendes Schiff mit einem Teelöffel trocken zu schöpfen. Das Einzige, was wir bis jetzt hierherbringen konnten, sind ein paar Notfabrikatoren, und immer noch sterben die Menschen an Krankheiten, die angeblich längst ausgerottet sind.«
»Ich verstehe.«
»Für so viele Flüchtlinge reicht der Platz nicht«, fuhr er fort, während er sich auf den Fahrersitz schwang. »Wir müssen dringend in neue Tunnel ausweichen, doch das bedeutet weitere Verhandlungen mit den Skeliten, was leider nicht einfach ist. Zwischen den ursprünglichen Siedlern und den Flüchtlingen kam es zu zahlreichen Zusammenstößen, aber die Skeliten weigern sich, uns mehr Raum zu geben.«
»Warum sperren sie sich dagegen?«
»Sie verlangen Sternenantriebe aus dem Tierra-Technologiehort«, erklärte er. »Das ist ihre grundlegende Bedingung, und ehe die nicht erfüllt wird, lehnen sie jede Form von Verhandlung ab.«
Dakota nickte. »Richtig. Ich verstehe. Genau wie wir und die Bandati haben sie das Kernschiff-Netzwerk verloren, und natürlich wollen sie weder auf die Friedensflotte noch auf jemand anders angewiesen sein.«
Sie kletterte auf den Passagiersitz neben Rivers. Er wandte sich um und sah sie mit ernster Miene an. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Miss Merrick. Als Sie mir mitteilten, Sie wollten hierherkommen, gehörte es nicht zu meinen obersten Prioritäten, Ihnen bei der Suche nach jemand behilflich zu sein, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Aber Ihr Einfluss in Ocean’s Deep ist enorm, und sollten die Skeliten hier glauben, sie könnten ihren
Sternenantrieb bekommen, würde das die Situation mit Sicherheit entspannen. Zurzeit genügt nicht viel, um vor Ort einen Aufstand anzuzetteln, und ehe man sichs versieht, gibt es schon wieder Dutzende von Toten. Die Leute müssen sich einfach an die Überzeugung klammern können, dass alles besser wird.«
Dakota kostete es eine ungeheure Willensanstrengung, um
Weitere Kostenlose Bücher