Lichtschwester - 8
jeweiligen obersten Bord der Seitenwände als Auflage. Sodann entrollte sie die zwei Vorhangschnüre, knotete sie aneinander und knüpfte das eine Ende zu einer Schlinge. Das andere Ende warf sie über die Querstange.
Und dann trat sie ihre Flucht an.
GARY W. HERRING
Gary Herring hält, wie ich, die Verherrlichung von Katzen als gute Hausgeister der Autoren für überzogen. So gebe sich seine Katze Cuss viel Mühe, ihn vom Schreiben abzuhalten, »weil sie in meinem PC ihren Rivalen um meine Gunst und Aufmerksamkeit sieht«.
Ich habe keine Katzen mehr, seit meine Kinder aus dem Haus sind. Denn Kristoph nahm Mozart mit, Kat nahm Pywacket und lsabel (die wir wegen ihrer seltsamen Zeichnung »Schottenmieze« nannten), und Beth entführte mir Patches, so daß mir nur Victoria Regina blieb, gegen die, weil sie ein Plüschtier ist, Lisa aber gottlob nicht allergisch ist. Da ich seit dem vierten Lebensjahr Katzen gehabt hatte, kommt mir mein Haus jetzt, so ohne sie, leer vor. Aber ich hatte mir nach Solanges Tod geschworen, mein Herz ja nie mehr an eine Katze zu hängen. Warum und wie ich mir aber dann doch wieder welche zulegte, die oben Genannten nämlich, das weiß ich wirklich nicht, jedenfalls hatte ich immer größte Mühe, Mozart von meiner Tastatur fernzuhalten — denn Katzenhaare sind ja Gift für einen Computer. Das behauptet wenigstens meine Servicetechnikerin (aber sie war sehr lieb und hat mir binnen vier Jahren gut viermal mein Systemboard ausgetauscht).
»Die Große Beschützerin« ist die Fortsetzung von »Falkinnenberg«, einer Story, die ich im vorigen Band dieser Reihe veröffentlicht habe. Sie sehen also, daß ich mich nicht prinzipiell gegen Serien sperre. Aber ich meine eben, Amateurautoren sollten nicht dauernd von Serien faseln, sondern erst einmal lernen, eine zu schreiben. Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann diesen Typus von Autor, der noch keine Silbe publiziert hat, aber ständig von den Serien schwadroniert, die er bald schreiben werde. Soll er doch seiner Mutter von seinem großen ungeschriebenen Werk erzählen, aber doch bitte nicht einer vielbeschäftigten Herausgeberin — es sei denn, sie bitte ihn, etwa bei einem Arbeitsessen, ausdrücklich darum … Aber ansonsten möge er sich das für seine liebe Mutter oder seine Kollegen im Dichterclub aufsparen, die ebenfalls noch keine Silbe veröffentlicht haben. – MZB.
GARY W. HERRING
Die Große Beschützerin
Sharik warf sich ihre Satteltaschen über die Schulter und pochte an die Tür der Schenke. Ein eiskalter Wind, der die Schneeflocken durch den Hof jagte, ließ die beiden an einem Pfosten neben dem Holzstapel angebundenen Pferde wiehern und stampfen. Sharik fror trotz ihres dicken, wollenen Umhangs so, daß sie erschauerte. Als sie nun noch hinter sich das Baby vor Kälte weinen hörte, fluchte sie leise und klopfte erneut, heftiger und ungeduldiger schon.
»Ich sehe kein Licht«, sagte Ressa zweifelnd, setzte dann ihren Reisesack ab und hüllte ihr Kind fester in ihren dünnen Umhang, um es gegen den Wind zu schützen. »Vielleicht ist das gar nicht das richtige Gasthaus.«
Sharik wies auf das Schild über der Tür, auf dem im Strahl ihrer Laterne trotz dieses dichten Schneegestöbers die Silhouette einer roten Falkin mit gebreiteten Schwingen zu erkennen war. »Das ist das Zeichen meines Ordens! Man sieht nur deshalb kein Licht, weil die Läden geschlossen sind. Die Schlafmützen sind wohl alle schon zu Bett gegangen«, sagte sie und fuhr, nach einem schnellen Blick zum nächtlichen Himmel, dann fort: »Von mir aus könnte das jetzt auch der Palast des Winterkönigs sein, solange er nur vier Wände und ein Dach hat!« Und damit begann sie, wieder gegen die Tür zu hämmern.
Wer immer da drin ist, ich zähle jetzt bis zehn, schwor sie sich stumm, und bei den Göttern, wenn die Tür bis dahin nicht offen ist, schlage ich sie ein!
Als Sharik bei »sieben« angelangt war, flog die Tür so jäh auf - daß ihre Faust beinahe im Gesicht eines hübschen Jungen von etwa fünfzehn Jahren gelandet wäre, der da plötzlich vor ihr auf der Schwelle stand. Der Junge duckte sich aber noch rechtzeitig und fluchte. »Was, zur Hölle, wollt ihr?« fragte er dann, schläfrig blinzelnd, aber ein Holzscheit schlagbereit haltend. Sharik schob ihn zornschnaubend beiseite und führte Ressa in die von Kerzen erhellte Gaststube und schnurstracks zu
Weitere Kostenlose Bücher