Lichtschwester - 8
verbrochen ?«
»Ich bin vor einigen Tagen zum Morgenappell zu spät gekommen …«, erwiderte Sharik düster lächelnd.
Trin fauchte vor gespieltem Mitgefühl, lachte dann herzhaft und wandte sich Ressa zu, die das Ganze stumm vom Ofen aus beobachtet hatte, und fragte: »Was führt denn dich und dein Kind in einer so lieblichen Nacht hierher, mein Fräulein?« »Mein … mein Mann ist vor zwei Monaten gestorben, Frau Wirtin«, antwortete Ressa und neigte den Kopf nach links, obwohl ja nichts darauf hindeutete, daß Trin ihr Muttermal bemerkt hätte. »Weil er keine Verwandten mehr hatte, kehre ich jetzt zu meiner Familie in Stalo’s Heath zurück.«
»Mein herzliches Beileid«, sagte Trin ernst und fuhr nach einer Weile, wieder lächelnd, fort: »Nenn mich Trin, bitte. Die Anrede >Frau< erinnert mich so an mein Alter. Und du, komm in die Küche, Reiterin Sharik! Ich habe einen Eintopf fertig. Da ihr heut nacht meine einzigen Gäste seid und das Gesinde schon im Bett ist, mußt du mir schon helfen, das Abendessen für euch aufzutragen.«
»Dieser Junge hat uns so lange vor der Tür warten lassen, daß ich schon dachte, wir würden da draußen noch eingeschneit«, bemerkte Sharik, als sie der Wirtin in die Küche folgte. »Typisch Emry!« sagte Trin und nickte. »Das ist unser Stalljunge. Ein guter Kerl … aber laß ihn sich vor ein warmes Feuer setzen, und er schläft im Handumdrehen ein!« Damit trat sie beiseite, um Sharik vorgehen zu lassen, und zog dann die Küchentür fest hinter ihnen beiden zu.
»Also«, fauchte sie nun, und ihre Jovialität war wie eine Maske von ihr abgefallen, »wer, zur Winterhölle, ist deine Freundin da draußen, Reiterin Sharik? Und wie bist du denn zu der gekommen?«
Trins Verwandlung von einer freundlichen Wirtin in eine barsche Offizierin war so schnell erfolgt, daß es Sharik erst einmal die Sprache verschlug. »Ich …«, stakste sie dann, »ich … habe sie erst heute nachmittag kennengelernt. Auf der Straße hierher. Und wer sie ist, das hast du ja von ihr selbst gehört.« »Der einzige Ort namens Stalo’s Heath«, schnaubte Trin, »von dem ich je gehört habe, ist ein Weiler droben im Norden… aber sie reist ja in entgegengesetzter Richtung. Als junge Witwe mit einem Neugeborenen könnte sie in jedem Tempel Aufnahme finden und, für ein wenig Mithilfe im Haushalt, bis zum Frühjahr bleiben, um dann weiterzureisen … Was, zum Teufel, macht sie dann mitten in einem Schneesturm auf der Landstraße?« Sharik spürte, daß ihr Gesicht wie Feuer brannte. »Sie hing fast ohnmächtig im Sattel, als ich auf sie stieß«, versetzte sie wie entschuldigend. »Ich sah auf den ersten Blick, daß sie eben erst aus dem Kindbett aufgestanden war, und konnte den gottverdammten Schneesturm schon förmlich riechen. Was hätte ich denn tun sollen … sie etwa auf der Straße dort erfrieren lassen? Was hättest du an meiner Stelle getan?«
Da warf Trin ihr einen grimmigen Blick zu und schüttelte dann den Kopf. »Ich hätte vermutlich genauso gehandelt«, gab sie zu. »Aber dann wäre es mir auch recht geschehen, wenn sie sich als Köder in irgendeiner Banditenfalle erwiesen hätte.« Stirnrunzelnd trat sie an ein Regal, nahm zwei Holznäpfe heraus und stellte sie auf den Tisch.
»Ich nehme sie hier auf, bis sie ohne Gefahr Weiterreisen kann«, fuhr sie fort. »Aber das geht auf deine Rechnung! Und wir sehen für alle Fälle zu, daß sie sich erst auf den Weg macht, wenn du schon weit weg bist.«
»Du würdest sie allein reisen lassen?« fragte Sharik kalt. »Mit so einem kleinen Kind?«
»Ich habe den Verdacht, daß sie daran gewöhnt ist. Für eine Frau im Kurierdienst liest du dir seltsame Weggefährtinnen auf«, sagte Trin und schöpfte von dem Eintopf, der in einem großen Kessel auf dem Herd köchelte, einige Kellen voll in eine Servierschüssel. Der Duft, der Sharik nun in die Nase stieg, war so wunderbar, daß ihr der Magen knurrte - und das so laut, daß sie Trins abschließende Bemerkung fast überhört hätte.
»Zudem«, sagte die ältere Falkin, »wovor sie auch davonlaufen mag … es wird sie bei diesem Wetter wohl kaum einholen.«
Zu dem dicken Eintopf aus Hammelfleisch und Zwiebeln gab es noch Graubrot und Braunbier. Aber wie hungrig sie wirklich war, merkte Sharik erst beim Essen. Als sie gerade, zufrieden und satt, ihren Napf mit einem Stück Brot auswischte, kam Emry vom Stall zurück. Er stampfte sich den Schnee von den Stiefeln und meldete überaus höflich -
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