Lichtschwester - 8
Wildlederstiefel.
»Soviel dazu!« höhnte er. »Sie war meine Frau, und die ist meine Tochter, und ich mache auch mit ihr, was ich will.« »Oh«, murmelte der Fremde. Dann sah er das Mädchen an, das stumm neben ihm stand. »Geh einmal vors Haus, Safiyah!« Sie starrte ihn fragend an.
Dann leuchteten ihre Augen verstehend auf. Und sie floh aus ihres Vaters Hütte.
Als es getan war, trat er in den strahlenden Sonnenschein hinaus und zog flink die runenbestickte Manschette zurecht, die aus dem Ärmel seiner Wildlederjacke blitzte. Das Mädchen erwartete ihn, natürlich. In Höllenqualen, zwischen Hoffnung und schrecklicher, lähmender Angst schwebend.
Sie stand vor dieser miesen Hütte und hielt sich den knurrenden Magen, »ja? Hast du es getan?«
Aber er blinzelte nur leicht gegen die Sonne und hob die Rechte schützend über die Augen. Auf seinem Handrücken war ein Zeichen zu sehen: ein blauer Halbmond.
»Er ist tot…«, murmelte sie stumpf.
Da drang ein Schrei aus der Hütte, ein klagender schriller Schrei voll Panik, jähem Begreifen, verzweifeltem Nichtwahrhabenwollen.
»Nicht tot!« stieß sie hervor und starrte den Fremden ungläubig an.
»Du … hast doch gesagt, er sei tot.«
»Nein«, versetzte er sanft, »ich sagte, daß ich das Nötige tat.«
Ihr Vater kam aus der Hütte gestürzt. Sein Hemd, seine Hose waren vorn ganz zerfetzt … und ließen volle Brüste mit dunklen Warzen sehen, eine schmale Taille, breite Hüften … und nichts als eine behaarte Scham zwischen den Schenkeln.
»Eine Frau, o mein Gott!« klagte er. Die Stimme eines Mannes.
Und das Gesicht eines Mannes. Aber der Körper einer Frau.
»Sieh, was du mir angetan hast!«
»Hm«, murmelte der Fremde und blickte zu Safiyah hinunter.
»Sieh, was du mir angetan hast!«
Safiyah sah starr vor sich hin. Der Fremde beugte sich leicht zu ihr hinab, nahm ihre kalte Hand und wärmte sie mit einem einzigen Gedanken, führte das Mädchen ruhig beiseite. Hinter ihnen brach der Vater in die Knie und schluchzte: »Sieh, was du mir angetan hast!«
Der Fremde kniete vor ihr nieder, ihre Hand fest in der seinen. In ihrem Gesicht malten sich ungläubiges Staunen und düsteres Entsetzen.
Er drückte ihr mit dem Daumen sacht den Handrücken, spürte unter der dünnen Haut zerbrechliche Knochen. Er sagte nur ein einziges Wort. Dann sprach er: »Sei frei davon!« und ließ ihre Hand los.
Safiyah starrte auf den blauen Halbmond, der auf ihrem Handrücken prangte. »Was … ?« hob sie an.
»Sei frei von Furcht«, sprach er. »Kennst du das Zeichen nicht?«
Safiyah erzitterte. »Nein …«
»Oh«, sagte er und lächelte sanft. »So wenig wie das Zeichen des Großkönigs auf dem Dreipennystück.« Er wies ihr lächelnd seinen Handrücken. »Siehst du? Dasselbe wie bei dir.«
Sie blickte wie gebannt auf ihr Mal. »Aber … was bedeutet es? Und warum hast du das gemacht?«
»Weil du eine Frau bist, die ganz allein ist in dieser Welt. Ohne einen Mann als Beschützer hat eine Frau es schwer, eine ehrliche, anständige Arbeit zu finden … und auch ein Mann ist noch keine Gewähr für ein sicheres Leben, wie deine Mutter erfahren mußte.«
Nun wies er mit dem Kopf auf ihren heiser schluchzenden Vater.
»Er wird fortgehen, weil er es nicht aushielte, so unter Leuten zu leben, die wissen, was er früher war. Auch du mußt fortgehen, damit du irgendwo neu anfangen kannst. Aber dein Weg ist nicht der seine. Ich gab dir dies als Schutzzeichen.« Sie sah ihn mit großen, argwöhnischen Augen an. »Das verstehe ich nicht.«
»Zeig deine Hand einem Mann, der dir Brot reicht, und er wird dir Fleisch geben. Zeig deine Hand einem Tuchhändler, und er wird dir Seide geben. Zeig deine Hand einem Maultierhändler, und er wird dir ein Pferd geben«, erwiderte er ernst und fuhr dann in leicht verändertem Ton fort: »Es sichert dir das Überleben. Bis du eine ehrliche, anständige Arbeit gefunden hast. Aber sobald du damit Reichtümer zu erlangen trachtest, wird es verschwinden. «
Sie starrte auf ihren kleinen blauen Halbmond. »Werde ich es für immer tragen?«
»Nur solange du es brauchst. Aber eine so starke Frau wie Safiyah wird es nicht lange brauchen. Sie wird es irgendwie schaffen. Sie wird die Welt rings um sich verändern, sie nach ihren Idealen neu erschaffen.« »Ich soll das können?«
»Das mußt du. Frauen sind weit mehr wert, als dein Vater glaubte.
Leute wie er haben zu lange schon das Sagen gehabt. Jetzt ist die Reihe an
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