Lichtschwester
abzugeben?
»Ich heiße Thros«, fuhr der Hrogi fort und erhob sich. »Und
du?«
Da wandte Reila ihr Gesicht zur Seite, verweigerte ihm nicht nur
ihren Namen, sondern auch den Klang ihrer Stimme, die nicht
durch Hrogi-Ohren beschmutzt werden durfte.
Der Häuptling schnaubte höhnisch. »Vielleicht bekomme ich ja noch Gelegenheit, deinen Namen zu erfahren.«
Da wußte sie, daß er sie vorläufig am Leben ließe. Nicht für eine
Vergewaltigung, obwohl auch die wahrscheinlich dazugehören
würde - sondern um ihr ihr Wissen abpressen zu können.
Thros. Der Name war ihr bekannt. Neffe des Königs von Hrog ...
Und Kommandeur der Invasionstruppen. Es mußte ihm viel daran
gelegen haben, ihre Schar zu vernichten. Hätte er sonst das Risiko
einer Verfolgungsjagd tief ins Landesinnere hinein auf sich ge-
nommen?
Nun verstand sie auch, warum dieser Einfall so viel vernichtender
war als der ein Jahrzehnt zuvor und so viel bedrohlicher als alle
anderen seit der Vereinigung der drei Königreiche und der Bildung
der Bundgarde.
Ein Aufschrei des Suchtrupps ließ Thros herumfahren und Reila
die Augen öffnen.
Sie hatten Kelf gefunden! Mit all dem Blut, dem wüst zerhauenen
Kettenhemd und dem zerfetzten Wollwams sah er aus wie ein To-
ter. Aber Reila wußte, daß er noch am Leben war. Und auch Thros
wußte das.
»Fesselt ihn gut und bringt ihn her«, befahl er. Sein Blick ruhte
schon auf Reila und las in ihrem Gesicht ihr Entsetzen.
Tränen rannen aus ihren Augen, gruben tiefe Rinnen in den
Schmutz auf ihren Wangen. Schrecklich fahl war ihr Mann! Die
feindlichen Krieger schleppten ihn, unter der Schwere des er-
schlafften Leibs ächzend, zur Spitze des Grabhügels und warfen
ihn einfach obenauf auf die Leichen von Hara und Sandel.
Er rührte sich nicht.
Da befahl Thros dem Mann, der ihr das Amulett geraubt hatte, sie
ja gut im Auge zu behalten, und kniete sich neben Kelf nieder. Er
säuberte seine Wunden von Tuch- und Panzerfetzen, hielt ihm
eine schmale Klinge unter die Nase, um zu sehen, ob Atem den
polierten Stahl beschlüge, und fühlte an seinem Hals nach einem
Puls.
Als er, durch den verletzten Arm behindert, Kelf mit einiger Mühe
den Talisman abgerissen hatte, ließ er sich von Reilas Bewacher
den ihren reichen und verglich sie miteinander. Nun nickte er.
»Dieser Mann wird binnen einer Stunde sterben«, sagte er und ließ die zwei bis aufs Haar gleichen Anhänger vor ihren Augen
baumeln. »Aber du könntest ihn retten, nicht wahr?«
Sie wußte, daß sie ihn sterben lassen sollte. Dann würde auch sie
sterben - und Thros wüßte nicht mehr, als er sich zusammenge-
reimt hatte ... So hätte Kelf gesprochen, wenn er bei Bewußtsein
gewesen wäre.
Aber als ihr Blick auf seine zerhauenen Handschuhe fiel, sah sie
die starken männlichen Hände, die ihr zu Beginn ihrer einwöchi-
gen Initiationsriten den Kelch ihres Bundes gereicht hatten. Als
ihr Blick dann auf seine maskenhaft geschlossenen Lider fiel, sah
sie die hellgrauen, durchdringenden Augen, die ihr am letzten Tag
der Zeremonie ewige Treue gelobt hatten. Und als ihr Blick auf
seine aufgesprungenen Lippen fiel, erinnerte sie sich an die zärt-
lichen Küsse, die er ihr in der Nacht darauf und in den Jahren
seither gegeben hatte ... und an die prachtvollen Kinder, die die
Frucht ihrer leidenschaftlichen Liebe waren.
Wenn jetzt nur ihr Leben auf dem Spiel gestanden hätte, hätte sie
es ohne Zögern geopfert. Sich selbst hätte sie töten können, aber
nicht ihn - nicht einmal durch Untätigkeit und Nichtstun.
Kaum zu einem Entschluß gekommen, fiel sie nun der Trance an-
heim. Der Erdenquell wallte wieder so kraftvoll wie eh und je, aber
ihr Leib vermochte die Energien nur mit Mühe zu fassen und zu
leiten. Sie sandte ihren Sinn aus zu Kelf und fühlte, daß das Le-
bensfeuer in seiner Brust noch glomm ... und sie entfachte es wie
mit einem Blasebalg zur lohenden Flamme.
Seine inneren Wunden schlossen sich. Neues Blut strömte durch
die entleerten Adern. Und all die Abwehrkräfte vereinten sich, um
die Infektionen, die schon in seinem Bauch und einem Bein wüte-
ten, zu bekämpfen und zu besiegen.
Da sank Reila erschöpft ins Heidekraut zurück. Der Kopf schwirrte
ihr. Wie von fern nur vernahm sie noch das Gekeuche und Ge-
murmel der Hrogi. Dann hörte sie auch das nicht mehr.
Die Wolkendecke war verflogen und das regennasse Gras vom
Glanz der untergehenden Sonne erfüllt, als sie
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