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Lichtschwester

Lichtschwester

Titel: Lichtschwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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wieder zu sich
kam.
      Sie sah Kelf, seiner Rüstung beraubt und fester noch gefesselt, in
ein paar Schritten Entfernung auf einem Rock liegen, den man
offenbar der toten Sandel ausgezogen hatte, und sie spürte und
sah, daß auch sie selbst, wenn auch nur mit dünnen Lederschnüren
  um die Handgelenke und Fußknöchel, gefesselt worden war.
  Ihre Blicke trafen sich. Kelf war zwar übel zugerichtet und noch
mit Narben, Schürfwunden und blauen Flecken übersät, hatte je-
doch seine Wachheit und Spannkraft wieder. Seine Totenblässe
war einem hellen Rot gewichen. Reila hatte ihn nicht ganz wieder-
herstellen können, aber doch soweit, daß er außer Lebensgefahr
war. Ja, er war in gewisser Hinsicht sogar in besserer Verfassung
als sie.
      Aus dem Augenwinkel sah sie, wie ein Merlin unweit von ihnen
eine Maus schlug und mit der Beute in der Ferne verschwand.
  Aber ihr Blick ruhte unverwandt in dem ihres Bundgefährten, und
sie sahen einander wortlos an.
  »Ah, endlich aufgewacht?« rief jemand vergnügt.
  Als Reila darauf den Kopf wandte, sah sie Thros näherkommen -
er hatte eine frische Armschlinge um. Hinter ihm sah sie die ande-
ren drei Hrogi um ein Holzkohlenfeuer geschart. Sie brieten an
langen Spießen zwei Schneehasen, die einen köstlichen Duft ver-
breiteten. Reila verspürte keinen Hunger, dankte aber Mutter
Erde für diesen Bratenduft, da er den immer noch über dem
Schlachtfeld liegenden Blutgeruch etwas überdeckte.
  »Das war atemberaubend«, sagte Thros und wies auf den weitge-
hend genesenen Kelf. »Unsere Zauberer träumen schon lange da-
von, die Kraft der Erde, der Sonne oder des Meeres zu kanalisie-
ren. Viele haben es versucht, wurden aber durch die gewaltigen
Energien, die sie zu bündeln versuchten, getötet oder ihres Ver-
standes beraubt. Wer hätte denn gedacht, daß man dazu einen
Kundigen als Kanal und einen als Empfänger braucht!«
  »Die Hrogi waren schon immer etwas langsam im Denken«, spot-
tete Kelf.
      Thros würdigte den Bundkrieger nur eines flüchtigen Blicks und
versetzte gelassen: »Aber selbst wenn dem so wäre ... wir lernen
schnell, wenn uns einer etwas lehrt.«
      »Ich werde euch gar nichts lehren«, knurrte Reila.
  »Ah, dir hat es also nicht die Stimme verschlagen!« lachte Thros.
  »Aber du weißt wohl nicht, was du da sagst.«
  Damit schlenderte er zu Kelf, kniete sich neben ihm nieder, faßte
mit Daumen und Zeigefinger der gepanzerten Hand sein Ohrläpp-
chen und quetschte es, bis das Blut spritzte. Kelf zuckte zusam-
men.
      »Du kannst dir ausmalen, wie ich ihm sonst noch Schmerzen zufü-
gen könnte«, sagte Thros darauf und erhob sich. »Höre, ich bin
nicht etwa darauf versessen, ihn zu foltern! Aber du wirst früher
oder später, um deines Mannes willen, vernünftig werden und
sprechen. Du hast es nicht über dich gebracht, ihn sterben zu las-
sen, und wirst es ebensowenig über dich bringen, ihn leiden zu
lassen.«
      Reila konnte ihre Gefühle nicht verbergen - ihre Miene sagte ih-
rem Feind alles, was er hatte wissen wollen.
      »Nein, bestimmt nicht«, fuhr Thros fort. »Ich muß euch beide nur
gut gefesselt halten und verhindern, daß dein Gefährte sich etwas
antut.«
      »Es ist ein langer Weg nach Hrog«, versetzte Kelf.
  »Oh, du wirst dich wundern, wie schnell wir dort sind«, spottete
der Häuptling. »Beim nächsten Einfall in dies schöne Land treten
wir gegen eure Hrolf-Krieger mit unseren Hrolf-Kämpfern an.
Mein Herr hatte schon daran gedacht, diese so verlustreichen Feld-
züge aufzugeben. Nun dürfte er es sich wohl anders überlegen.«
  Er faßte Reila am Kinn und versuchte, sie zu zwingen, ihm in die
Augen zu sehen, das triumphierende Leuchten darin zu erblicken
... Als sie jedoch die Lider schloß, kicherte er bloß, stieß ihr den
Kopf nachlässig zur Seite und ging zum Feuer, um seinen Teil des
Siegesmahls zu genießen.
      Reila fühlte, wie ihr die Galle hochkam, eine Galle so bitter wie der
Sud der Herzwurz. Diese Schlacht hätte kaum schlimmer für uns
ausgehen können! dachte sie niedergeschlagen.
  In ihrer Not blickte Reila zu Kelf hinüber. Die Dämmerung hatte
seine Pupillen völlig gefülllt. Sie sah wie durch Fenster in sie hin-
ein und geradewegs in seine Gedanken. Ja, er hielt es nun auch für richtig, daß sie ihrer beider Tod nicht zugelassen hatte. Ihr Überle-
ben hatte jetzt einen Sinn und ein Ziel, das klar vor ihnen lag.
  Sie durften nur sterben, wenn sie Thros

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