Lichtschwester
mit dem Daumen sacht den Handrücken, spürte unter der dünnen Haut zerbrechliche Knochen. Er sagte nur ein einziges Wort. Dann sprach er: »Sei frei davon!« und ließ ihre Hand los.
Safiyah starrte auf den blauen Halbmond, der auf ihrem Handrücken prangte. »Was ... ?« hob sie an.
»Sei frei von Furcht«, sprach er. »Kennst du das Zeichen nicht?«
Safiyah erzitterte. »Nein ...«
»Oh«, sagte er und lächelte sanft. »So wenig wie das Zeichen des Großkönigs auf dem Dreipennystück.« Er wies ihr lächelnd seinen Handrücken. »Siehst du? Dasselbe wie bei dir.«
Sie blickte wie gebannt auf ihr Mal. »Aber ... was bedeutet es? Und warum hast du das gemacht?«
»Weil du eine Frau bist, die ganz allein ist in dieser Welt. Ohne einen Mann als Beschützer hat eine Frau es schwer, eine ehrliche, anständige Arbeit zu finden ... und auch ein Mann ist noch keine Gewähr für ein sicheres Leben, wie deine Mutter erfahren mußte.«
Nun wies er mit dem Kopf auf ihren heiser schluchzenden Vater.
»Er wird fortgehen, weil er es nicht aushielte, so unter Leuten zu leben, die wissen, was er früher war. Auch du mußt fortgehen, damit du irgendwo neu anfangen kannst. Aber dein Weg ist nicht der seine. Ich gab dir dies als Schutzzeichen.« Sie sah ihn mit großen, argwöhnischen Augen an. »Das verstehe ich nicht.«
»Zeig deine Hand einem Mann, der dir Brot reicht, und er wird dir Fleisch geben. Zeig deine Hand einem Tuchhändler, und er wird dir Seide geben. Zeig deine Hand einem Maultierhändler, und er wird dir ein Pferd geben«, erwiderte er ernst und fuhr dann in leicht verändertem Ton fort: »Es sichert dir das Überleben. Bis du eine ehrliche, anständige Arbeit gefunden hast. Aber sobald du damit Reichtümer zu erlangen trachtest, wird es verschwinden. «
Sie starrte auf ihren kleinen blauen Halbmond. »Werde ich es für immer tragen?«
»Nur solange du es brauchst. Aber eine so starke Frau wie Safiyah wird es nicht lange brauchen. Sie wird es irgendwie schaffen. Sie wird die Welt rings um sich verändern, sie nach ihren Idealen neu erschaffen.« »Ich soll das können?«
»Das mußt du. Frauen sind weit mehr wert, als dein Vater glaubte.
Leute wie er haben zu lange schon das Sagen gehabt. Jetzt ist die Reihe an dir.«
Sie nickte mit leuchtenden Augen, streckte dann, wie beunruhigt, den Finger aus und tippte, nach kurzem Zögern, auf seinen blauen Halbmond. »Was ist das? Und wie hast du es bekommen?« »Das Zeichen eines Magiers unseres Großkönigs.« Nach einer Weile fuhr er fort: »Ich wurde damit geboren. Und die Priester haben mich daran erkannt.«
Sie nickte unbestimmt und verständnislos; für sie waren das bloß Worte. Für sie war er ein Mann. »Was wird denn aus ihm?« fragte sie und sah starr zu der Frau hinüber, »ja, was wird aus meinem Vater?«
»Dieser Rollentausch ist doch nur fair«, versetzte der Magier des Großkönigs lächelnd. »Von nun an muß er sich eben selber als Hure durchschlagen.«
Das verstand Safiyah. Sie brach in fröhliches Gelächter aus.
PAULA HELM MURRAY
Paula Helm Murray kann ich wohl zu »meinen« Autorinnen zählen, da sie ja schon in meinen Anthologien Magische Geschichten (Band IV) und Spells of Wonder und auch in Marion Zimmer Bradley's Fantasy Magazine präsent war. Sie hält sich drei »Miezen« (Katzen, nehme ich an) und ein paar Vögel -eine Konstellation, die ich für die Katzen oder die Vögel für grausam oder zumindest für frustrierend halte. Sie hat auch mehr als ein Dutzend Ideen für neue Geschichten, alles auf Diskette gespeichert - wohl ein nützlicheres Medium als meine Notizbücher ~, hat aber auch einen Ausdruck davon, so daß nichts passieren kann. Zu ihren größten Leistungen zählt sie, daß sie die ständigen schlechten Wortspiele ihres Mannes überstanden habe (hoffentlich lernt ihr Papagei sie nicht -sonst bekommt sie sie noch in Stereo zu hören ...). Sie arbeitet zudem — aber wer nicht? — an einem Roman. Bei ihrem Tempo könnte sie ihn auch durchaus zu Ende bringen. Natürlich hat niemand Zeit zum Schreiben; man muß sie sich eben nehmen. – MZB.
PAULA HELM MURRAY
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Fyl, der rundliche Zwergdrache, huschte frohgemut zur Küche, um an seinem Lieblingsplatz vor Kaylis Herd diese gegrillten Mäuse,
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