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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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wichtig? Wofür hat sie das alles gemacht? «
    Bella stand auf und strich ihr Kleid an der Hüfte glatt, eine routinemäßige Geste von jemandem, der in der geringen Schwerkraft der Orbitstationen der Syndikate aufgewachsen war. »Es ging um die Kristalle. Sie hat die ganze Zeit darüber geredet. Was Leute mit ihnen anstellen. Sie wollte sie beschützen.«
    »Wovor?«
    Bella zuckte die Achseln. »Vor … dem hier.« Sie machte eine Geste, die Haas’ Stromraum-Terminal, den Planeten unter ihnen und den ganzen UN-Raum einschloss.
    »Die Bergleute glauben, dass die Kondensate sterben, Bella. Stimmt das?«
    Bella lachte rau. »Wir können noch zwanzig Jahre schürfen, maximal dreißig. Die Geologen können sich nie auf eine genaue Zahl einigen, aber was macht das schon? Die Berichte kommen nie am Management vorbei.« Sie lächelte. »Es ist das schmutzige, kleine Geheimnis der ABG.«
    »Und Sharifi hat dieses Geheimnis gelüftet?«
    »Deswegen war sie hier.«
    »Und was ist in der Kristalldruse passiert, Bella? Wollte Sharifi erreichen, dass Haas die Grabungen einstellt? Haben sie sich deswegen gestritten?«
    »Ich sagte es Ihnen schon«, sagte Bella, und ihre Stimme stockte vor Frustration. »Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Aber dort müssen Sie nachforschen. Im Bergwerk. Wo die Kristalle sind.«

ABG-Station: 22.10.48.
    L i hatte einmal ihre eigenen Spezifikationen gelesen, und zwar während einer technischen Einweisung auf einem Truppenschiff über der dunklen Seite von Palestras fünftem Mond, am Abend vor ihrem ersten Kampfabwurf.
    Es war sehr schmerzhaft gewesen, selbst in einem Saal voller Leute, die keinen Anlass zur Vermutung hatten, dass sie nicht das legal rekrutierte Viertelkonstrukt war, das sie zu sein schien. Und es veränderte ihr Leben.
    Sie saß im Besprechungsraum, sah die Codes, die vor ihr über den Bildschirm scrollten, und hörte den Technikern zu, die über Zugspannungsgleichungen und Knochenprofile, selbstmodifizierende Immunsysteme, Designerdärme und Atmungsflora diskutierten. Und zum ersten Mal in ihren Leben begriff sie, was sie war, was alle Genkonstrukte waren. Sie waren Lasttiere. Der Höhepunkt von zehntausend Jahren menschlicher Eingriffe in den irdischen Genpool. Die universellen Arbeitstiere des interstellaren Zeitalters.
    Diese Erkenntnis prägte sie während all der Sprünge und Einsätze auf neuen Planeten, die auf diese Besprechung folgten. Sie blieb in ihrem Hinterkopf, wann immer sie eine schwere Last hochhievte, einen schweren Arbeitstag in Angriff nahm, in den Stromraum wechselte oder einen Geliebten umarmte.
    Der Gedanke ging ihr jetzt wieder durch den Kopf, als sie auf der Übungsmatte hockte und zusah, wie McCuen sein schweißnasses T-Shirt auszog und einen sommersprossigen Oberkörper enthüllte, der von einem regelmäßigen Training und einer nur geringfügigen Genmodifikation zeugte. Ein wenig robuster, stärker, untersetzter als die menschliche Norm, aber trotz allem das Produkt zweier Eltern und der zufälligen Kombination von sechsundvierzig
Chromosomen. Trotz allem eine legale Existenz und außerhalb der Reichweite des langen Arms von TechComm.
    »Elend heiß hier drin«, sagte McCuen und warf sein T-Shirt zum Rand der Matte. »Mal ganz abgesehen davon, dass Sie mich in eine schwere Sauerstoffschuld treiben. Sind Sie sicher, dass Sie nicht schummeln?«
    »Ich schwöre bei Gott«, sagte Li. »Ich habe meine ganzen Systeme runtergefahren.« Sie stand auf, zog ihr eigenes Hemd aus und wischte sich damit das tropfende Gesicht ab. »Sehen Sie?« Sie zeigte auf ihre wulstigen Bauchmuskeln. »Dafür habe ich wie ein Irrer geschuftet. Daran sollten Sie vielleicht denken, wenn Sie das nächste Mal beschließen, lieber lang zu schlafen statt Ihren faulen Hintern in die Sporthalle zu bewegen.«
    An der gegenüberliegenden Wand hing ein Spiegel, und als sie sich umdrehte, konnte sie einen kurzen Blick auf sich selbst werfen. Sie sah, was sie immer sah: einen stämmigen, muskulösen Körper; genetisch voreingestellte sechs Prozent Körperfett; eine so flache Brust, dass weibliches Schamgefühl ebenso unangebracht war wie Hilfestellung beim Training.
    Es erforderte eine Höllenarbeit, eine für militärische Einsätze taugliche Verkabelung aufrechtzuerhalten. Viele Trainingsstunden, um die Muskelkraft und Knochendichte auf einem Niveau zu halten, dass sie ohne Verletzungen der Zugbelastung standhalten konnten. Und obwohl Lis Designergene es ihr erlaubt hätten,

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