Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
den Zusammenbruch des planetaren Netzwerks auf Kalispell herbeigeführt. Das heißt, er hat ein Netzwerk mit der Absicht manipuliert, Menschen zu schaden. Hätten wir es ihm nachweisen können, wäre er bis auf den letzten Schaltkreis auseinandergenommen worden. Und Tel Aviv …«
    »Tel Aviv war ein Unfall.«
    »Ein Unfall wie Metz?«
    Li drehte sich der Magen um. »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Catherine«, sagte Nguyen geduldig, und Li empfand einen seltsamen Bruch, als sie den Namen hörte, bei dem Cohen sie gewöhnlich rief. »Vergessen Sie Metz. Ich bitte Sie nur, nicht zu vergessen, dass er kein Mensch ist.«
    »Das bin ich auch nicht«, betonte Li.
    Nguyen gestikulierte fahrig. »Darum geht’s nicht. Was Sie sind oder nicht sind … das ist eine Frage der Semantik. Ein paar abweichende Chromosomen. Eine Großmutter, deren Genset planmäßig statt per Zufall zusammengefügt wurde. Cohen ist etwas ganz anderes. Lassen Sie sich in dieser Hinsicht nicht von persönlichen Gefühlen blenden.«
    Nguyen seufzte, nahm ein E-Papier in die Hand, überflog und unterzeichnete es und schob es auf die andere Seite des Schreibtischs.
    »Gut, damit hätten wir dieses Thema erledigt«, sagte sie. »Ich hoffe, es war nicht unangenehmer als nötig und Sie verstehen meine Gründe, warum ich die Sache angesprochen habe. Sonst noch etwas?«
    Li wollte etwas sagen, zögerte aber und überlegte, ob sie es riskieren konnte, Nguyen von Korchow zu berichten. »Ja«, sagte sie. »Ich hatte gestern mit jemandem ein seltsames Gespräch. Ich weiß nicht, wie ich weiter vorgehen soll.«

    Etwas funkelte hinter Nguyens dunklen Augen, als Li ihr von Korchow erzählte, und sie hatte auf einmal das unangenehme Gefühl, dass ihr Treffen mit Korchow die Neuigkeit war, die Nguyen die ganze Zeit hatte hören wollen. Vielleicht war er sogar der eigentliche Grund, warum man sie auf Compsons Planet geschickt hatte. Aber das war natürlich verrückt. Selbst Nguyen hatte nicht jeden und alles unter Kontrolle.
    »Wie kommen Sie darauf, dass Korchow mit Sharifi Kontakt hatte?«, fragte Nguyen.
    Li lud ein Bild von Korchows Visitenkarte herunter und verschob es in den gemeinsamen Substrom. »Das hier habe ich in ihrem Terminkalender gefunden.«
    »Aha«, sagte Nguyen und warf einen Blick darauf. »Vielleicht hat sie nur Antiquitäten von ihm gekauft.«
    »Aber bestimmt.«
    »Wie sicher sind Sie, dass er für die Syndikate arbeitet?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Aber es sieht danach aus. Und falls er nicht für die Syndikate arbeitet, hat er zumindest sein Möglichstes getan, damit ich diesen Eindruck gewinne. «
    »Na gut. Sharifi hat also mit einem Syndikatsagenten gesprochen … über ihre Arbeit, müssen wir annehmen. Und jetzt will dieser Agent mit Ihnen reden.«
    »Was soll ich tun?«, fragte Li.
    Nguyen presste die Lippen zu einem kühlen Lächeln zusammen. »Reden Sie mit ihm.«

Helena: 22.10.48.
    K orchows Adresse führte sie mitten in Helenas Gewerbeviertel, bei entsprechender Luftqualität ein Fünfminutenmarsch vom alten Verwaltungsgebäude aus der Kolonialzeit. Aber Li musste noch einen Abstecher machen, bevor sie Korchow aufsuchte, und zwar in das Sankt-Josef-Mädchenheim. Und im Gegensatz zu Korchows Laden befand sich das Heim in keinem der besseren Viertel der Stadt.
    Compsons Hauptstadt stammte noch aus der Zeit vor dem Bose-Einstein-Boom. Die verfallenen Kuppeln des Regierungsgebäudes und der Gouverneursvilla erinnerten an die Tage der Selbstverwaltung, bevor die Bose-Einstein-Technik alles verändert hatte.
    Die gemauerten Wandelgänge und Büroblöcke des Gewerbeviertels gemahnten Besucher daran, dass Helena einmal mehr gewesen war als ein Konzernstützpunkt und Compsons Planet mehr als eine Treuhandschaft. Dennoch hatten die Slums, durch die Lis Taxi auf der langen Fahrt vom Raumhafen rollte, nichts Altmodisches oder Anheimelndes an sich. Hier herrschten die gleichen Zustände, wie man sie überall im UN-Raum vorfand: demokratischer Kapitalismus in Aktion, unter der Gesetzgebung des Generalrats, finanziert vom Interplanetaren Investmentfond.
    Wohin Li auch blickte, überall sah sie die Bergwerke. Die Anakonda-Grube war einen halben Kontinent entfernt, das nächste Bose-Einstein-Bergwerk befand sich auf der fernen nördlichen Halbkugel, aber selbst aus dieser Entfernung drückten sie der Stadt ihren Stempel auf. Saurer Regen hinterließ lange, schwefelgelbe Streifen auf den zusammengenagelten Bretterwänden der Behausungen. Ein

Weitere Kostenlose Bücher