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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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verletzt zu werden. Ich brauchte einige Jahrhunderte, um das zu lernen, Catherine, aber ich hab’s gelernt. Und du tust gut daran, es schneller zu begreifen als ich. So wie die Dinge im Moment laufen, glaube ich nicht, dass du ein Jahrhundert erübrigen kannst.«
    Li stand auf, ohne zu antworten, ging durch den Salon und trat in den Garten hinaus. In der Zona Angel war die Nacht angebrochen. Eine feuchte Brise, die den Geruch von Erde und nassen Blättern herantrug, strich ihr übers Gesicht. In den grünen Zweigen sangen Frösche und einige Nachtvögel. All die kleinen, lebendigen Dinge, die Cohen so liebte. In einem Versteck in der Wand über ihr trillerte ein Vogel, den ihr Orakel als eine Nachtschwalbe identifizierte. Schön, dachte sie – und fragte sich, ob sie genauso empfunden hätte, wäre ihr der Name unbekannt geblieben.

    Cohen trat hinter sie, so nah, dass sie den frischen Geruch von Chiaras Haut riechen konnte.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, im Ring zu leben«, sagte Li. »Wie können Menschen an einem Ort leben, wo man jedes Mal, wenn man zum Himmel aufblickt, seinen größten Fehler vor Augen hat?«
    »Es gibt Leute, die halten es für eine gute Sache, wenn man sich mit seinen Fehlern auseinandersetzen muss.«
    »Nicht, wenn es zu spät ist, um sie rückgängig zu machen.«
    »Es ist nicht zu spät. Und man ist dabei, die Fehler der Vergangenheit rückgängig zu machen.«
    Li warf Cohen einen ärgerlichen Blick zu. »Das ist eine Geschichte für Schulkinder. Die Leute bringen sich da unten immer noch gegenseitig um. Gott, meine eigene Mutter ist nach Irland gegangen, um zu kämpfen. Vom Leben unter der Erde litt sie an einem chronischen Vitamin-A-Mangel. Warum kämpfen Menschen um ein Land, in dem sie nicht einmal leben können?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich weiß es aber. Weil sie gern kämpfen. Weil sie es nicht aufgeben wollen, selbst wenn es nichts mehr gibt, wofür es sich zu kämpfen lohnt.«
    Sie ging weiter in die Dunkelheit hinein, den Blick auf den schneebedeckten Planeten über ihnen gerichtet. »Ich will dich aus dieser Sache raushalten«, sagte sie. »Sie ist es nicht wert. Ich weiß nicht, warum ich es überhaupt mache.«
    »Ich schon«, sagte Cohen. »Ich weiß alles.«
    Sie wollte sich umdrehen, aber er hielt sie davon ab, indem er ihr eine weiche Hand auf die Schulter legte. »Ich weiß von der Genmanipulation. Ich wusste es seit Jahren, Catherine. Oder Caitlyn. Oder wie immer dein Name ist. Ich habe diese Leiche im Keller ausgegraben, lang bevor Korchow darüber gestolpert ist.«

    Li stand unter den lebendigen Schatten seines Gartens und dachte an all die Fragen, die er sorgfältig vermieden hatte, an die vielen Gelegenheiten, als er ihr hätte sagen können, dass er Bescheid wusste, und es doch nicht getan hatte.
    »Warum hast du’s mir nicht gesagt?«, flüsterte sie.
    »Sollte ich? Ich wollte es niemandem sonst sagen, und mir persönlich war es gleichgültig, also welchen Unterschied macht es, ob ich es gewusst habe oder nicht?«
    »Nein.« Sie wurde plötzlich wütend, fühlte sich betrogen und getäuscht. »Ich kenne dich. Du wolltest abwarten, ob ich es dir selbst sage. Du hast es als eine Art Messlatte betrachtet. Wie weit vertraut sie mir? Wie weit lässt sie sich diesmal auf mich ein? Es war alles nur ein großer Test für dich!«
    »Das ist reine Paranoia.«
    »Ja, wirklich?«
    »Und selbst wenn du recht hättest, was soll’s? Ich habe mit Sicherheit keine Antwort bekommen, die mich glücklich gemacht hat. Es ist immer die alte Geschichte. Li gegen den Rest der Welt, und wer immer dich anrührt, dem beißt du die Hand ab und spuckst ihm ins Gesicht.«
    »Du weißt, dass es nicht so ist.«
    »Wie ist es denn?«
    Li zuckte die Achseln, fühlte sich unversehens müde.
    »Sag’s mir«, hakte Cohen nach.
    »Wie könnte ich dir etwas sagen, das du nicht schon weißt?«
    »Du hast eine Wahl, Catherine. Was ist das Schlimmste, das dir zustoßen könnte? Deine Zulassung zu verlieren? Bist du wirklich bereit, für eine lausige Bezahlung und eine noch lausigere Pension dein Leben wegzuwerfen?«
    Li lachte. »Ich habe in den letzten fünfzehn Jahren jeden Tag meines Lebens für diese lausige Pension riskiert. Wieso ist es diesmal etwas anderes?«

    »Diesmal ist es Verrat. Hör zu, Catherine. Das Jobangebot, das ich dir neulich gemacht habe, war ernst gemeint.«
    »Ich bin kein Mitläufer, Cohen. Ich find’s nicht sehr verlockend, deiner Primatensammlung einverleibt zu

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