Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
Syndikate?«
    »Wir wissen es nicht. Wir hoffen natürlich, dass es nicht die Syndikate waren. Wir wissen nur, dass jemand uns belauscht hat.«
    Li nickte. Das standardmäßige Quantenverschlüsselungsprotokoll, das der Sicherheitsrat für eingehende Daten verwendete, konnte nicht verhindern, dass eine dritte Partei die Nachrichten abfing, aber Quanteninformationen brachten es mit sich, dass niemand sie abhören konnte, ohne die sensiblen Spinzustände zum Kollaps zu bringen und sich so zu verraten.
    »Die eigentliche Frage ist«, fuhr Nguyen fort, »warum eine unbekannte Person oder Personen ausgerechnet diese Nachricht abgefangen haben.«
    »Offensichtlich wusste jemand, dass sie unterwegs war.«
    »Offensichtlich. Aber wer war das? Das müssen Sie herausfinden. « Nguyen strich die Akte glatt, die vor ihr auf dem Tisch lag, und schob sie zur Seite. Erledigt, bedeutete diese Geste. Ende der Diskussion. »Offiziell werden Sie nach Compson verlegt, um den früheren Sicherheitschef der Station zu ersetzen. Der Rest … bleibt unter uns.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Seien Sie einfach so diskret und gründlich, wie wir das von Ihnen gewohnt sind.« Nguyens Augen waren in diesem Moment so schwarz und ausdruckslos wie Steine. »Und seien Sie vorsichtig. Wir haben dort unten schon einen Offizier verloren.«
    »Ja«, sagte Li. »Es würde mich interessieren, wer es war.«
    »Jan Voyt. Ich glaube nicht, dass Sie ihn kennen.«
    »Voyt«, wiederholte Li, aber der Name löste keine Assozition in ihrem Wet-RAM aus, und alles, was ihr Orakel anzubieten hatte, waren öffentliche Dateien. »Nein«, sagte sie. »Ich glaube nicht, dass ich ihn kannte.«
     
    Nachdem sich Nguyen ausgeloggt hatte, begab sich Li an einen Fensterplatz und sah zu, wie ihr Heimatplanet langsam das zerkratzte Aussichtsfenster ausfüllte.
    Sie konnte Compsons Planet zunächst nicht direkt sehen; die zweite Nacht war gerade angebrochen, und der Planet wurde vom düsteren Schatten seines Begleiters verhüllt, der zwischen ihm und Pegasi 51 kreiste. Dann gab der Begleiter den verwaschenen Rand der Sonne frei, und Li konnte erstmals deutlich die ABG-Station sehen, als diese ihr 2-Millionen-Quadratmeter-Sonnensegel der aufgehenden Sonne zuwandte.
    Sie war noch zu weit weg, um die Meteoriteneinschläge zu erkennen, die gefrorenen Streifen aus ausgetretenem Abwasser und Treibstoff auf der Außenhülle der Station.
Von hier sah sie wie ein juwelenbesetztes Uhrwerk aus. Der glitzernde, von einer doppelten Hülle umschlossene Ring, der von Lebenserhaltungsanlagen versorgt wurde, rotierte in Schräglage über der Planetenoberfläche, weit außerhalb der Trajektorien der elektromagnetischen Katapulte. Eingebettet in den Hauptring befanden sich die komplex ineinander verzahnten Getriebe der Kreiselaggregate, die Rotationsstabilisatoren und die Stirling-Turbinen – eine kosmische Windmühle, die von den libellenartigen Schwingen der Solarsegel verdeckt wurde. Und darunter, verhüllt von Compsons finsterer, konvertergenerierter Atmosphäre, lag das Anakonda-Bergwerk.
    Keine einzige Straße verband das Bergwerk mit Compsons großen Städten. Der einzige Verkehrsweg auf dem Boden war eine rostrote Fahrspur, die durch eine Nachbildung der kalifornischen Küstenregion führte, durch die Schatten der veralteten Atmosphärekonverter und bis hin zu den Kaschemmen und Arbeiterunterkünften von Shantytown.
    Shantytown war natürlich nicht der offizielle Name. Aber so wurde die Stadt von ihren Bewohnern genannt.
    So hatte Li sie selbst genannt.
     
    Sie war erst sechzehn gewesen und hatte bereits vier Jahre unter der Erde gearbeitet, als sie in einen Body-Shop ging, der nur Bargeld akzeptierte, ein bemitleidenswert dünnes Bündel UN-Banknoten hervorholte und einem Schattenmarkt-Genetiker Geld hinblätterte, damit er ihr das Gesicht und die Chromosomen eines toten Mädchens verlieh. Es war das erste Bargeld gewesen, das sie je in der Hand gehalten hatte: die ausbezahlte Lebensversicherung ihres Vaters. Sie erinnerte sich nicht mehr besonders gut an diesen Tag, aber sie wusste noch, wie sehr es sie amüsiert hatte, dass ein Mann nach seinem Tod eine Stange Bargeld
ausbezahlt bekam, aber nur ein Bergarbeitertaschengeld für den Job, der ihn umgebracht hatte.
    Die Genmodifikation war schmerzlos verlaufen, nur eine Reihe von Injektionen und Bluttests. Es dauerte einige Zeit, bis die Narben in ihrem Gesicht verheilt waren, aber der Einsatz war die Sache wert. Sie hatte den Body-Shop als

Weitere Kostenlose Bücher