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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Bose-Einstein-Technologie.«
    Nguyen nahm ihr Glas in die Hand, betrachtete es wie ein Wahrsager den Kaffeesatz und stellte es wieder hin, ohne einen Schluck zu trinken.
    »Sharifi arbeitete an einem Gemeinschaftsprojekt mit der Anakonda-Bergbaugesellschaft. Sie behauptete, sie stünde kurz vor der Entwicklung einer Kultivierungsmethode für transportfähige Bose-Einstein-Kondensate.«
    »Ich dachte, das sei unmöglich.«
    »Wir alle dachten, es sei unmöglich. Aber Sharifi … nun, wer weiß, was Sharifi dachte. Sie sagte uns, sie könne es schaffen, und das genügte uns. Schließlich war sie Sharifi. Sie hatte schon einmal Unmögliches vollbracht. Also unterzeichneten wir eine Kooperationsvereinbarung mit der ABG. Sie stellten das Bergwerk und die Kondensate zur Verfügung. Wir stellten das Kapital. Und … und andere Dinge. Sharifi hat uns vor zehn Tagen einen Zwischenbericht geschickt.«

    »Und worum ging es darin?«
    »Wir wissen es nicht.« Nguyen lachte leise, klang aber nicht im Mindesten amüsiert. »Wir können ihn nicht lesen.«
    Li blinzelte.
    »Sharifi hat uns über Compsons Bose-Einstein-Relais eine verschlüsselte Datei geschickt. Aber als wir sie entschlüsseln wollten, kam nur … nur Rauschen heraus, Müll … nur eine Folge von Zufallsspins. Wir haben die Datei durch jedes Entschlüsslungsprogramm geschickt, das wir haben. Nichts. Die Datei ist entweder irreparabel beschädigt oder mit einem anderen Datenstrom verschränkt, den Sharifi uns nicht übermittelt hat.«
    »Also …«
    »Also brauchen wir den ursprünglichen Datensatz.«
    »Warum fragen Sie nicht ABG, schließlich waren sie die Kosponsoren?«
    Nguyen hob eine Augenbraue.
    »Ich verstehe«, sagte Li. »ABG weiß nichts von diesem Zwischenbericht.«
    »Nein, sie wissen nichts davon, und dabei soll es auch bleiben.«
    »Na gut«, sagte Li. »Ich soll die Datei beschaffen und dafür sorgen, dass sie niemand sonst bekommt. Hört sich einleuchtend an. Aber warum ich? Warum geben Sie so viel aus, um mich zu schicken?«
    Nguyen machte eine Pause, und Li bemerkte, dass sie zum Fenster hinaussah; das ferne, kontrastverstärkte Spiegelbild von Barnards Stern schimmerte in ihren Pupillen. »Es steht mehr auf dem Spiel als der fehlende Spinstrom«, sagte sie. »Um genau zu sein, haben wir keine Ergebnisse von Sharifi vorliegen. Es scheint, als … als hätte sie alles aufgeräumt, bevor sie gestorben ist. Sie scheint jede Spur ihrer Arbeit aus dem System gelöscht zu haben. Als ob sie alles vor uns verbergen wollte.« Ein kühles Lächeln umspielte
Nguyens Lippen. »So ist die Lage. Keine Sharifi, kein Experiment, kein Datensatz. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, ist der Stationschef gemeinsam mit Sharifi bei diesem Feuer gestorben. Wir brauchen dort draußen jemanden, der die Puzzlesteine zusammensetzt, Li. Jemanden, dem ich vertrauen kann. Jemanden, der sich auch von Vorwürfen in der Presse wegen angeblicher Vertuschung nicht einschüchtern lässt, wenn es hart auf hart kommt. Wer wäre besser dazu geeignet als die Heldin von Gilead?«
    Li rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Machen Sie nicht so ein Gesicht«, sagte Nguyen. »Gilead war der Wendepunkt. In dieser Hinsicht hat die Presse recht, wie sehr sie auch sonst alle Fakten über den Krieg verdreht hat. Gilead brachte die Syndikate an den Verhandlungstisch. Sie wurden dadurch von Compsons Welt und allem anderen ferngehalten, was wir in den letzten dreißig Jahren beschützt haben. Sie hatten den Mut, Li, in die Bresche zu springen, als alles auseinanderfiel, und zu tun, was getan werden musste. Und Sie haben nichts getan, wofür sich ein echter Soldat schämen sollte. Ich habe es über einen Echtzeitkanal verfolgt. Ich weiß es, auch wenn Sie selbst sich nicht sicher sind.«
    Li wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Alles, woran sie sich erinnerte – woran sie sich erinnern durfte – , war der offizielle Spinstrom. Ihre Echtzeit-Aufnahmen waren geheim und lagerten hinter inerten Firewalls in den Datenkatakomben unter dem Hauptquartier auf Alba. Mit Gilead hatte sie nichts mehr zu tun – außer in den Träumen während ihrer Sprünge, die ihre offiziellen Erinnerungen Lügen straften und sie mit der unangenehmen Gewissheit zurückließen, dass all die Hacks und Finten, die erforderlich gewesen waren, um von Compsons Planet wegzukommen, sich früher oder später rächen würden.

    »Die Menschen glauben an Sie«, sagte Nguyen. »Sie vertrauen Ihnen. Und

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