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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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schauen Sie doch mal in den Spiegel. Ihnen fehlt … wie war das? … nur ein Großvater für eine obligatorische Registrierung. Sie stammen aus demselben Labor, in dem auch Sharifi gezeugt wurde. Haben Sie jemals Holos von ihr gesehen? Sie könnten Schwestern sein.« Eine makellos gezupfte Augenbraue wölbte sich nach oben. »Sind Sie das nicht sogar, in einem technischen Sinne?«
    »Eher ihre Enkelin«, sagte Li zögernd. Es war besser, wenn die Leute ihren Namen nicht mit einem Konstrukt assoziierten.
    »Na, sehen Sie. Welcher Journalist, der noch alle Sinne beisammenhat, würde Ihnen Bigotterie gegenüber ihrer eigenen Großmutter vorwerfen?«
    Li starrte auf den Boden zwischen ihren Füßen. Vor langer Zeit hatte ein Stiefelabsatz oder ein Stuhlbein eine geschwungene Kratzspur über mehrere Bodenfliesen zurückgelassen, und sie staunte, wie plastisch und greifbar ihr dieses Detail erschien – obwohl sie hier in einer Illusion gefangen war –, nicht weniger real als das Flugdeck, auf dem ihre Füße tatsächlich standen.
    Es musste einen Ausweg geben, sagte sie sich. Sie konnte nicht auf Compsons Planet zurückkehren. Es war idiotisch anzunehmen, dass niemand sie erkennen würde. Idiotisch anzunehmen, dass nirgendwo jemand die verhängnisvolle Verbindung herstellen würde.
    »Ich fürchte, Sie wissen nicht zu schätzen, wie ich mich für Sie ins Zeug lege«, sagte Nguyen. »Sie haben den Einsatz auf Metz komplett verbockt …«
    »Nur weil ich mich auf Cohen verlassen habe.«
    »Sein Sie nicht so naiv. Cohen ist unantastbar. Tel Aviv hat das bewiesen. Dagegen sind Sie alles andere als unantastbar. « Nguyen setzte die Ellbogen auf den Tisch, verschränkte
die Hände und sah Li über die Wölbung ihrer Finger hinweg an. »Wissen Sie, dass Sie das höchstrangige Teil-Konstrukt in der Truppe sind?«
    Worauf wollen Sie hinaus?, dachte Li. Aber sie hielt den Mund. In den letzten fünfzehn Jahren hatte sie gelernt, sich zusammenzureißen.
    »Vor dem Kriegsgericht ist es zur Sprache gekommen. Sie stehen für etwas, Li. Nicht jedem gefällt das. Die Hälfte der Kommission würde Sie am liebsten rauswerfen und nie wieder ein Wort über Sie verlieren. Die andere Hälfte – mich eingeschlossen – würde Sie ungern verlieren. Die Dinge verändern sich, und Sie sind ein Teil dieser Veränderung. Treten Sie es nicht mit Füßen.«
    »Schon gut«, sagte Li. »Wie Sie wollen.«
    »Gut«, sagte Nguyen. Sie beobachtete Li immer noch aufmerksam, versuchte sie einzuschätzen. »Und es gibt noch ein Problem. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: ein mögliches Problem. Wir haben Grund zur Annahme, dass jemand Sharifis Nachricht abgefangen hat.«
    Plötzlich begriff Li, worum es ging – ihr stockte der Atem, als ihr klar wurde, was wirklich auf dem Spiel stand.
    Die UN hatte die Syndikate geschlagen und ihre Fronten nur aus einem Grund über ein Jahrzehnt des Kalten Krieges verteidigen können: Bose-Einstein-Transporte. Die UN verfügte über einen kommerziell nutzbaren, zuverlässigen überlichtschnellen Antrieb. Die Syndikate nicht. Die UN konnte mithilfe eines Bose-Einstein-Relais im Handumdrehen Truppen in jedes beliebige System schicken. Die Syndikate nicht. Die UN hatte im letzten halben Jahrhundert ein gewaltiges interstellares Netzwerk aus Verschränkungsbanken aufgebaut, das es ermöglichte, Quantendaten sicher durch flüchtige Wurmlöcher im Quantenschaum zu versenden. Die Syndikate dagegen mussten sich mit Verschränkungsequipment zufrieden geben, das ihnen
durch gekaperte UN-Schiffe zufällig in die Hände fiel oder als Raubkopie auf dem Schwarzmarkt von Freetown erstanden wurde.
    Es hing alles von Compsons Planet und seinen einzigartigen, nicht erneuerbaren Vorkommen von Bose-Einstein-Kondensaten ab. Aber in dem Moment, in dem jemand herausfand, wie sich transportfähige Kondensate künstlich herstellen ließen, würde die neue Technik der Kondensatkultivierung bestimmen, wer den Weltraum dominierte. Und wenn die Syndikate diese Technologie in die Hände bekamen, würde das Gleichgewicht der interstellaren Mächte, die Handelsakte – und der zerbrechliche Frieden selbst – in sich zusammenfallen.
    Genau aus diesem Grund war sie zu Compsons Planet unterwegs, wurde Li klar. Nicht bloß, um zu verhindern, dass etwas durchsickerte, sondern um eine undichte Stelle zu stopfen, von der Nguyen annahm, dass es sie bereits gab.
    »Wer, meinen Sie, hat die Nachricht abgefangen?«, fragte Li und schluckte. »Die

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