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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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ausgetrocknet. Ein Sturm heulte über die Türme hinweg, ließ Dachschindeln und Fensterläden klappern. Ganze Flügel des Palastes waren dem Wind und dem Himmel offen ausgesetzt. An jeder Ecke wurde sie mit geschlossenen Türen konfrontiert, und selbst wenn sie sie öffnete, fand sie dahinter nur verregnete Ruinen.
    Sie konnte die Kommunikationsprogramme nicht finden, konnte nicht einmal in Erfahrung bringen, in welchem Netzwerk sie liefen. Li überlegte, ob sie in den Zahlenmodus wechseln sollte, um nachzuschauen, aber die Erinnerung an die Katastrophe, die Cohen beim letzten Mal abgewendet hatte, hielt sie zurück.
    Dann hörte sie etwas.

    Schritte, die um die nächste Biegung des Gangs hallten, die nächste Treppenflucht hinauf, dann auf dem Boden im Geschoss über ihr. Schritte und ein spöttisches, funkelndes Lachen, das wie eine Blitzentladung über die tote Leitung zuckte.
    Sie spürte dem Geräusch durch kalte Flure, über große, schuttübersäte Höfe nach. Sie hatte fast aufgegeben, als sie durch eine halboffene Tür stolperte und den Bogengang sah, das vom Wind gepeitschte, mondbeschienene Gestrüpp wilder Rosen.
    Sie trat unter der Arkade hervor und hob eine Hand, um ihr Gesicht vor dem Wind zu schützen. Jemand saß auf der Bank unter den Rosen. Sie sah vom Regen durchtränkte Locken in der Farbe angelaufenen Kupfers. Sie sah aus den Schatten Rolands goldene Augen glänzen.
    Sie lief auf ihn zu.
    Sie waren beide vom Regen kalt und durchnässt. Ein totes Blatt war ihm ins Gesicht geblasen worden wie eine kleine schwarze Motte, die sie wegwischen musste, bevor sie ihn küssen konnte. »Du bist gekommen«, flüsterte sie.
    Und dann küsste sie ihn, erkundete ihn mit ihren Lippen, Händen, ihrem Herzen und ließ dabei alles hinter sich außer ihrem Verlangen nach ihm.
    Er fasste sie an den Schultern und stieß sie von sich weg. Sie schaute ihm in die goldenen Augen und sah … nichts.
    »Nein«, flüsterte sie. »Nein.«
    »Er konnte nicht kommen. Ich soll dir sagen, dass es ihm leidtut.«
    Es hörte auf zu regnen. Die Dunkelheit ringsum vertiefte sich. Li sah hohe Fenster, die vor den tief stehenden Wolken aufgestoßen worden waren, und merkte auf einmal, dass sie und ihr Gegenüber an der Schwelle zur Halle der Türen standen.

    Roland deutete auf eine Tür, die wie alle anderen aussah. »Da drin«, sagte er.
    Dann war er verschwunden.
    Sie stieß die Tür auf und trat in eine Dunkelheit, die noch finsterer und mehr von der Spannung eines Unwetters erfüllt war als der Himmel draußen.
    »Wer ist da?«, fragte eine Stimme.
    Es war keine freundliche Stimme. Keine freundliche Frage.
    »Ich«, sagte sie. »Catherine. Kennst du mich?«
    »Oh, ja. Wir kennen dich.«
    Das Licht wurde eingeschaltet. Sie war allein in einem leeren Raum.
    »Warum bist du hergekommen?«, fragte die Stimme. Es waren die Wände oder was immer sich hinter den Wänden verbarg, das mit ihr sprach.
    »Ich brauche Zugriff auf das Netzwerk der ABG-Station. «
    Schweigen.
    »Unbedingt.«
    »Und warum sollten wir dir helfen?«
    Wir?
    »Weil …«
    Eine andere Stimme sprach. Worte, die sie nicht verstehen konnte. Ein Flüstern. Plötzlich war der ganze Raum von Flüstern erfüllt. Li trat zurück, tastete nach der Tür hinter ihr. »Aber Cohen sagte …«
    »Ja.« Eine neue Stimme, noch kälter als die erste. »Erzähl uns von Cohen. Sag uns, was Cohen dir gesagt hat.«
    »Es war nicht meine Schuld«, hauchte sie.
    »Nicht?«
    Sie fühlte wieder den Türknauf, und ihre Hand zitterte. Sie berührte etwas, packte es. Aber statt Metall fühlte sie Haut.

    Jemand schob sie in die Mitte des Raums, und sie fiel auf die Knie und presste die Hände auf die Ohren, um nicht die hasserfüllten, fauchenden Vorwürfe zu hören.
    »Es ist nicht meine Schuld«, schrie sie in einem fort. Aber sie konnte die Stimmen nicht zum Schweigen bringen. Es war doch ihre Schuld, sagten sie immer wieder. Es war alles ihre Schuld. Alles.
     
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte McCuen.
    Sie sah ihn an, und ihre Brust hob und senkte sich. Sie warf Bella, die sie mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, einen Blick zu. »Es geht mir gut«, log sie. »Nur ein Störimpuls in meinem Kommunikationssystem.«
    Dann hörte sie auf einmal Cohen, der zu ihr sprach.
     
    Sie schlug im VR-Modus die Augen auf und sah sich Hyacinthe gegenüber, der sie an den Händen fasste, auf die Beine zog und in den schrecklichen Raum zurückzerrte.
    Aber dies war nicht Hyacinthe, wie sie ihn zuvor

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