Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
ja?«
    »Meinetwegen.« Louie bückte sich, um seine Lampe zu überprüfen. »Wir sehen uns, Brian.«
    »Danke für nichts«, schnauzte McCuen.

    Louies Antwort war so leise, dass die Schaufeln der Fräsmannschaft sie übertönten. Li beugte sich über ihn. »Was?«
    »Ich sagte, reden Sie mit dem Priester. Sagen Sie aber bloß nicht, dass ich Sie geschickt habe.«
     
    Der Priester hieß Cartwright, und sie brauchten die halbe Schicht, um ihn zu finden. Er hatte am Morgen sein Zeichen ins Schichtprotokoll gekritzelt, aber seine Grubenlampe noch nicht zurückgegeben, und die Plakette mit seiner Nummer war an keiner der Tafeln auf den Laufstegen zu finden.
    »Typisch Unabhängige«, sagte McCuen. »Sie haben eine Riesenangst davor, dass der Konzern ihnen ihre Funde wegnehmen könnte, und deshalb sagen sie den Sicherheitsmannschaften am liebsten gar nicht, wo sie sich gerade aufhalten. Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu suchen. Wenn Sie meinen, dass es die Sache wert ist.« Er schien daran zu zweifeln.
    »Kennen Sie ihn?«, fragte Li.
    »Klar«, sagte McCuen. »Jeder kennt ihn.« Er machte mit einem Finger eine kreisende Bewegung vor der Schläfe: verrückt.
    Der Rest der Schicht wurde zu einer verschwommenen Abfolge von tropfenden Wänden und flackerndem Lampenlicht. Sie verließen bald die von der ABG erschlossenen Abschnitte des Bergwerks und drangen in Bereiche vor, die nur von Grubenlampen und der batteriebetriebenen Notbeleuchtung hier und dort erhellt wurden. Sie zwängten sich durch kurvige Stollen und Gänge, vorbei an hölzernen Abtrennungen, die zu verrottet waren, als dass mehr als ein Hauch frischer Luft durch die dunklen Tunnel dringen konnte. An jeder Biegung hielten sie inne, horchten und folgten den Echos der Spitzhacken.

    Sie erlebten die gleiche geisterhafte Szene zehn-, zwölf-, fünfzehnmal. Sie hörten das erste schwache Klopfen der Felshämmer und sahen reflektiertes Lampenlicht, das von den behauenen und zersplitterten Wänden glitzerte. Dann tauchten Männer aus der Dunkelheit auf, förmlich aufgespießt auf den scharf gebündelten Strahlen ihrer Grubenlampen, die Augen glänzend wie Kohle unter fließendem Wasser.
    »Der Priester?«, fragte Li dann. »Cartwright?«
    Und jeder kleine Trupp von Männern schickte sie noch tiefer, in noch engere Tunnel.
    Als die Belüftung versagte, wurde die Luft heißer. Li schwitzte bald und hatte Mühe, genug Luft durch das Mundstück ihres Beatmers einzusaugen.
    McCuen rollte seinen Overall herunter, band die Ärmel um die Hüfte und zog sein Hemd aus. Li tat das Gleiche, behielt aber ihr T-Shirt an; sie hatte immer noch eine Perlenkette aus ihrer Zeit unter Tage, und sie wollte keine dummen Fragen aufkommen lassen, ob eine gewisse Catherine Li unter Tage gearbeitet und wer sie damals gekannt hatte.
    Sie gab es bald auf, ihren Weg auf den ABG-Karten in ihrer Datenbank zu verfolgen. Sie waren hier über das kartierte Gebiet hinaus, und außerdem wurde ihr Empfang schlechter. Am späten Nachmittag schickte ein letztes Team von Bergleuten sie in einen steilen, schmalen Stollen, der der Wilkes-Barre-Ader folgte, die an den gebrochenen Schichten der Bergflanke entlang abwärts führte. Nach zwanzig Metern machte der Tunnel einen scharfen Knick. Unmittelbar hinter der Biegung fanden sie einen kurzen, schmalen Schlitz zwischen zwei abgeschrägten Grundgesteinsschichten, der gerade breit genug war, dass sich eine dünne Person in einen dunklen Tunnel dahinter zwängen konnte – in einen Tunnel, in dem
sich ein voll ausgerüsteter Bergmann gar nicht bewegen konnte. Jemand hatte mit Kreide ein Symbol an die Tunnelöffnung gemalt: eine Mondsichel mit einem Kreuz darunter.
    »Cartwrights Zeichen«, sagte McCuen. »Aber kein Beatmer. Ich nehme an, er trägt gar keinen.«
    Cartwright war also ein Genkonstrukt. Wie sollte es auch anders sein?, dachte Li. Ein Bergarbeiter ohne biologische Modifikationen nahm den Beatmer vielleicht einmal ab, um mit dem Arbeitstempo an der Schnittkante mitzuhalten, aber nur ein Genkonstrukt würde sich ohne Zufuhr sauberer Atemluft in einen der abgelegenen Tunnel wagen, wo er möglicherweise in eine Gasblase laufen konnte. »Wie viele von den Schmugglern sind heutzutage genetische Konstrukte?«, fragte sie McCuen.
    »Die meisten«, antwortete McCuen und bestätigte damit, was sie halb geahnt hatte, halb aus der Erinnerung wusste. »Wer sonst käme an solches Zeug ran? Außerdem haben sie uns gegenüber einen Vorteil: Sie brauchen

Weitere Kostenlose Bücher