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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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dreißig Sekunden lang einfach da und starrte die Wände an.
    McCuen wartete im Gang und sah inzwischen sehr viel besser aus. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Li erinnerte sich an ihre aufgerissenen Hände und ihre zerfetzte Kleidung und fragte sich, wie wohl ihr Gesicht aussah. »Mir geht’s gut. Ich bin nur gestürzt, das ist alles.«
    Er sah sie seltsam an. »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Ich hab’s nicht bis oben geschafft. Keine Luft.« Sie streifte ihren Beatmer über, steckte sich das Mundstück zwischen die Lippen und war froh darüber, dass es ihre Stimme dämpfte. »Und jetzt raus hier.«

Lalande 21185 MetaServ: 17.10.48.
    S harifis Hand war warm, ihr Handschlag fest und professionell.
    »Major«, sagte sie mit einem Lächeln. »Willkommen.«
    »Freut mich, Sie zu sehen«, erwiderte Li und fragte sich, in welche Firmendatenbank sich McCuen gehackt hatte, dass er auf diese Goldmine gestoßen war.
    Sie sah sich mit unverhohlener Neugier um. Sie standen in einem physikalischen Labor, das den Träumen eines interaktiven Set-Designers entsprungen zu sein schien: hohe Decken, klares Ring-Sonnenlicht, das durch zwei Geschosse hohe, aus Kunststahl gefertigte Rahmenfenster hereinströmte, Laborgeräte auf dem neusten Stand der Technik, die sorgfältig so arrangiert waren, dass sie einen Eindruck wilder, aber perfekt organisierter Aktivität hervorriefen.
    Sie wandte sich wieder Sharifi zu, die immer noch mit ihr redete. Sie hatte Charisma, auf eine wissenschaftlich kühle Art, wirkte gedankenreich, rational, feminin. Und sie war offensichtlich – ganz unübersehbar – ein Genkonstrukt. Um die fünfzig, aber jugendlich und energisch. Kleiner als die UN-Norm. Dichtes schwarzes Haar, das ein kantiges, flaches Han-Gesicht umrahmte. Nicht dick, aber kompakt und stämmig.
    Li kannte diesen Körper. Sie kannte die langen, straffen Oberschenkel, die scharfe Nasenkante, die glatte Wölbung des Schädels vom Ohr bis zur Schläfe. So hätte ich selbst gern ausgesehen, dachte sie und schauderte.
    »Verschaffen wir uns erst einmal einen schnellen Überblick«, sagte Sharifi.
    Als sie sprach, spürte Li, dass die nonautonome KI der Finanzierungssoftware gerade versuchte, in ihr System einzudringen. Sie stöberte nach Finanzdaten, Zahlungsmustern,
nach allem, was ihr helfen konnte, die richtige Verkaufsmasche zu bestimmen. Lis eigene KI unterband die Sondierungen, und sie erlaubte es, dass als Köder einige persönliche Dateien angelegt wurden.
    Neben Sharifi entrollte sich ein Holodisplay. Sie zog einen Finger durch das Raster, um es zu aktivieren, und löste dabei ein funkelndes Wellenkräuseln aus. Das Display erwachte zum Leben, und Li hatte unversehens eins der paradigmatischen Bilder ihres Zeitalters vor Augen: ein für Laien vereinfachtes Flussdiagramm des Bose-Einstein-Teleportationsvorgangs.
    Sharifi lächelte und entblößte gerade, gut gepflegte Zähne. »Quanten-Teleportation, oder, um genauer zu sein, quantenkorrigierte Spinstrom-Replikation, ist als das schlimmste System zur überlichtschnellen Beförderung bezeichnet worden, abgesehen von all den anderen. Wollte man es genauer ausdrücken, müsste man sagen: QKSR kombiniert zwei völlig untaugliche Beförderungsmethoden so, dass ihre Stärken genutzt werden und ihre Schwächen sich gegenseitig kompensieren.
    Breitband-Spinstrom-Übertragungen von spin-codierten Binärnachrichten sind ein robustes Verfahren für überlichtschnellen Transport – aber nur im chaotischen Kontext von kurzlebigen Wurmlöchern, wo die Datenübertragung ungenau, unzuverlässig und, für geschäftliche und administrative Anwendungen ausschlaggebend, offen zugänglich ist.
    Wenn man Daten über den Quantenschaum versendet, ist es im Grunde so, als ob man eine Flaschenpost ins Meer wirft. Die Wahrscheinlich ist ziemlich hoch, dass irgendwer sie irgendwo finden wird – und je mehr Flaschen man ins Meer wirf, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeit allerdings, dass auch nur eine einzige Flaschenpost den vorgesehenen Empfänger erreicht
und dass die Nachricht nicht von jemand anderem gelesen wurde, ist sehr gering.
    Bose-Einstein-Teleportation dagegen etabliert zuverlässige, sicher verschlüsselte Übertragungen zwischen zwei Parteien, die sich ein Paar verschränkter Kondensate teilen. Indem wir Bose-Einstein-Teleportation und Spinschaum-Übertragungen miteinander kombinieren, erreichen wir das sine qua non der interstellaren Informationsökonomie: eine

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