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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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als Sharifi.
    Sie loggte sich in die Datenbank der Klinik von Shantytown ein und stellte fest, dass zwei der Techniker, die überlebt hatten, Genkonstrukte waren. Die Übrigen nicht. Und sie alle hatten es aus eigener Kraft bis zur Grubensohle geschafft. Die einzigen Menschen, die es im Trinidad-Stollen erwischt hatte, waren Voyt und Sharifi.
    Warum also waren sie gestorben, während die anderen überlebt hatten?
    Li überflog noch einmal Sharifis Autopsiebericht und fluchte, weil sie das Offensichtlichste übersehen hatte. Schließlich fand sie es in der Mitte des Berichts, vergraben in einem Berg ablenkender Einzelheiten. Sharpe hatte es an einer Stelle untergebracht, wo jeder es finden würde, der wusste, wonach er suchte.
    Wenn er danach suchte.
    An Sharifis Kopf, unmittelbar unter der Schläfe, unter all den anderen Beulen und Platzwunden, hatte Sharpe
zwei längliche Brandwunden im Abstand von zwei Zentimetern entdeckt.
    Li beugte sich über die schmale Lücke zwischen ihrer Koje und dem Schrank gegenüber. Sie fischte ihre Viper aus dem Halfter, den sie schon bei den Friedenstruppen getragen hatte, und fuhr die beiden fangzahnartigen Anoden aus: länglich, zugespitzt, scharf genug, um sich durch Fleisch zu schneiden. Und genau zwei Zentimeter auseinander.
    Jemand hatte Sharifi eine Viper – vermutlich die von Voyt – an den Kopf gehalten und aus unmittelbarer Nähe abgedrückt. Li hatte selbst schon Menschen auf diese Weise sterben sehen. Ein direkter Schuss in den Kopf verursachte gewöhnlich eine Atemlähmung. Tod durch Ersticken. Ein Tod, der Verletzungen hinterließ, die nur der gewissenhafteste Gerichtsmediziner entdecken konnte.
    Sharifi war ermordet worden.
     
    Sie stellte eine Verbindung zum planetaren Netzwerk her und rief das Krankenhaus in Shantytown an.
    »Wieso haben Sie so schnell davon erfahren?«, fragte Sharpe, als sie ihn erreichte.
    »Wie meinen Sie das? Ich habe die Autopsieberichte gelesen.«
    Er blinzelte, offensichtlich verwirrt. »Sie rufen nicht wegen der Wetware an?«
    »Nein. Was ist damit?«
    »Haas hat das Ding an sich genommen. Oder besser gesagt, er hat am Freitag sein Syndikat-Konstrukt geschickt, dieses Mädchen, um es abholen zu lassen.«
    »Was? Woher wusste er überhaupt davon?«
    Sharpe wippte mit seinem Stuhl nach hinten und hob die Augenbrauen. »Ich habe gehofft, Major, dass Sie mir das sagen können.«

ABG-Station: 19.10.48.
    D en Tatort zu sichern, erwies sich als ebenso unmöglich wie Kakerlaken von einer Raumstation fernzuhalten.
    Anakondas Grubenköpfe bildeten die Spitze eines unterirdischen Eisbergs, eine Katakombe aus ständig verschobenen Stollen, Vortrieben und Belüftungsschächten. Die Karten der ABG waren alles andere als aktuell, wie sehr sich die Vermesser auch bemühten, sie auf dem neuesten Stand zu halten – ganz zu schweigen von Hunderten Kilometern unregistrierter Bohrlöcher, Zugangstunneln in der Bergflanke und Gängen, die die Schmuggler benutzten.
    Dieser wimmelnde, chaotische Ameisenhaufen wurde, Schicht um Schicht, durch fünf tägliche Transfers aus der Orbitstation vergrößert, durch zahlreiche unplanmäßige Einsätze von spezialisierten Technikern und Vermessungsmannschaften und einen unablässigen, völlig ungeregelten Strom von schrottreifen Bodenfahrzeugen, die zwischen der Grube und Shantytown hin- und herflitzten. Niemand überwachte den Eingang zur Grube, und niemand wusste genau, wer gerade im Einsatz war. Die Protokolle waren eine Selbsttäuschung, ebenso die Grubenvorschriften und die kursierenden Sicherheitsbestimmungen, die gemieteten Grubenlampen und die Sauerstoffflaschen. Dass die ABG die Grube kontrollierte, war ebenso eine Illusion – wenn auch eine mit echten finanziellen und rechtlichen Konsequenzen – wie die Vorstellung, dass ein General eine plündernde, marodierende, brandschatzende Armee befehligte.
    »Wenn wir sie nicht beim Reinkommen erwischen«, entschied Li schließlich, »dann markieren wir sie eben, wenn sie wieder rauskommen.«

    Die Evakuierung hatte fünf Schichten gedauert, und dabei war jeder verfügbare Shuttle in der Station und jeder Lander zum Einsatz gekommen, die man erbitten, ausleihen oder von den vier oder fünf Siedlungen auf Compsons Planet anfordern konnte, die sich in Flugweite des Anakonda-Bergwerks befanden. Es hatte sehr viele Todesopfer gegeben. Die Evakuierungsmannschaft hatte vierzig Minuten nach dem ersten Alarm mit der Sichtung der Opfer begonnen, jeden Evakuierten markiert und

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