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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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alles egal ist.
Ich komme mir vor wie ein einziger Hormonklumpen, gerade noch soweit
navigierfähig, den Autoschlüssel ins vorgesehene Fach zu legen, die Kilometer
einzutragen, gegenzuzeichnen und wieder nach unten zu hasten, wo mir ein
fiebrig glänzendes Augenpaar sehnsüchtig entgegenblickt.
     

Fünfzehn
    Wir schaffen es kaum, die
Wohnungstür hinter uns zuzuziehen, da fallen schon die ersten Klamotten zu
Boden. Aufgeheizt von den letzten anderthalb Stunden, drängeln wir durch Max’
kleine Wohnung hin zu seinem Bett und fallen auf die erkalteten Laken, die noch
leise nach seinem Schlaf riechen. Nach einem kurzen, heftigen Vorspiel dringt
Max in mich ein, und für einen Bruchteil packt es mich, wie vertraut das alles
mittlerweile ist. Wie ein eingespieltes Team folgen unsere Bewegungen aller
Hast zum Trotz bereits einer bestimmten Choreographie – und sei es nur jener
Chaostheorie, die unserer ‚Beziehung’ als Blaupause zugrunde liegt. Obwohl ich
so sehr auf Abstand bedacht bin, kann ich Max in diesen Momenten gar nicht nahe
genug sein, klammere mich an ihn und würde am liebsten mit ihm gemeinsam
vergehen. Was ich kurz darauf auch tue, und sei es nur für wenige Sekunden. Petite
mort …
    Als wir uns
schließlich voneinander lösen, fühle ich, wie meinen Körper eine süße Schwere
durchströmt, und nichts scheint verlockender, als sich auf die Seite zu drehen
und einzuschlafen. Aber miteinander Schlafen und nebeneinander Schlafen sind
zwei verschiedene Paar Schuhe, die ich nicht durcheinander bringen werde. Max
und ich sind schließlich kein Paar – und wir werden auch keins. Und so gehört
am Ende des Tages, egal was sich vorher abgespielt hat, jeder in sein eigenes
Bettchen.
    Um mich wach zu
halten, lasse ich meinen Blick durch Max’ Ein-Zimmer-Appartement gleiten. Außer
unseren Anziehsachen liegen lediglich die erwähnten Hanteln auf dem grauen
Teppichboden, der erstaunlich gepflegt wirkt. An der einen Wandseite stehen
zwei Regale, voll gestopft mit Büchern und DVDs. Anlage, Fernseher und
DVD-Spieler werden vom Laptop ersetzt, der zusammengeklappt auf dem
Schreibtisch neben der Pantryküche liegt. An den freien Wänden hängen Poster
von 3 Doors Down und Hoobastank .
    Ich stehe auf
und klaube meine Unterwäsche vom Boden, wobei Max’ Berührungen als feiner
Phantomschmerz weiterhin auf meiner Haut brennen. Eigentlich bräuchte ich mich
gar nicht wieder anziehen, denn mein Bauch, mein Busen und meine Beine strahlen
noch regelrecht von seiner Hitze, die jetzt peu à peu unter meiner kalten Kleidung
verschwindet, von ihr eingeschlossen wird – fast so, als könnte ich sie
konservieren und mitnehmen.
    Während ich
meinen BH schließe, gehe ich neugierig zu den Regalen, um ihren Inhalt weiter
zu untersuchen. Die Bücher reichen querbeet von aktuellen Spiegel -Bestsellern
bis hin zu ausgewählten Klassikern der Weltliteratur, darunter Baudelaire,
Dostojewski und Kafka. Prüfend fahre ich mit dem Finger die Rücken der
Taschenbuchausgaben entlang und erfühle viele kleine Knickspuren – tatsächlich
gelesen, keine Deko! Ich muss an Jonas denken und daran, dass das einzige Buch,
das er je in die Hand genommen hat, das Telefonbuch war. Aber gut, jeder Jeck
is anders. 
    Auch Max’
DVD-Sammlung kann im Großen und Ganzen überzeugen: Die Vögel , Apocalypto , Reservoir Dogs , Der Pate … Dazwischen die Simpsons und Shaun
das Schaf . Ich stutze.
    „Die hat mir
meine Ex-Freundin geschenkt“, kommt prompt die Erklärung vom Bett her. Auch Max
wirkt recht müde, hat sich jedoch aus der Bettwäsche empor gekämpft und
blinzelt mich leicht zerzaust, doch aufmerksam an.
    „Süß“, sage ich
nur. Und genau so meine ich es auch. Shaun das Schaf ist süß. Geschenke
in einer Beziehung sind süß. Erinnerungen behalten, auch wenn sie mehr
Schmerzen als Freude bereiten, ist süß.
    Ein kleiner Kloß
quillt in meinem Hals auf, und ich muss schlucken.
    „Woran denken
Sie?“, durchbricht Max meine Gedanken.
    Abrupt wende ich
mich vom Regal ab und schnappe meine Jeans. Woran ich denke? „An alles und an
nichts“, gebe ich ausweichend zur Antwort.
    „Du weißt, dass
du nicht gehen musst“, sagt der Wuschelkopf.
    „Ja, ich weiß“,
entgegne ich. Was gelogen ist. Und das wissen wir wiederum beide. Aber genau
das ist der Trick bei einem unausgesprochenen Deal: Dass man nichts ausspricht.
Zumindest nicht, solange es sich irgendwie vermeiden lässt.
    Zum Abschied
zwinkere ich Max nochmals von der Tür her zu.

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