Liebe 2.0
momentan
zusammensetzt. Eins nach dem anderen. Und zuallererst hole ich jetzt meine
kleine Schwester von der Schule ab. Bin mal gespannt, was sie zu meinem Einkauf
sagt: Schlammpackung fürs Gesicht, Kokospackung für die Haare, Nagellack in
drei verschiedenen Farben und ein Stapel Mädchenmagazine. Wenn das mal kein
Animationsprogramm ist!
Einundzwanzig
Nach unserem spontanen
Beautynachmittag sitzen Clara und ich total erschlagen bei meinen Eltern im
Wohnzimmer. Ich wusste gar nicht, dass Wellness so anstrengend sein kann! Jetzt
aber haben wir eine Haut wie Samt, Haare wie Seide und glänzend lackierte Nägel
– ich in grün, Clara, weil sie sich nicht entscheiden konnte, lila-blau
gestreift. Außerdem haben wir erfahren, dass pinke Röhrenjeans das Must-Have
der Woche sind und Jungs total auf Claras sexy-unkomplizierte Art abfahren,
während ich eindeutig zu viel rumzicke. (Ich habe Clara mehrmals ermahnt, sie
solle beim Ankreuzen des Psychotests gefälligst nicht immer auf die höchste
Punktzahl schielen! Aber gut. Abgesehen davon, dass eine Zehnjährige hoffentlich
keine Ahnung hat, was das Wort sexy überhaupt bedeutet, wird sie in
ihrem Leben noch früh genug erfahren müssen, dass so manche Entscheidung
zwischen A, B und C eine Nullrunde ist.)
Während Clara
mit offenen Augen von Justin Bieber träumt und ich mich in eine Foto-Lovestory
vertieft habe, gucken meine Eltern wie jeden Vorabend die Aktuelle Stunde .
Es ist die Ruhe vor dem Sturm, denn wenn Tristan demnächst hier aufschlägt,
geht das Abenteuer Familie erfahrungsgemäß erst so richtig los.
Plötzlich werde ich aufmerksam. Irgendein Name ist in dem Bericht
gefallen, der mir bekannt vorkommt, und so lasse ich meine zwei verliebten
Teenager allein auf der Pferdekoppel zurück und verfolge gebannt das Geschehen
auf dem Bildschirm.
…
Erfolgsautor Martin Egger nun bei uns im Studio, um mit uns über sein neues
Buch Herbststurm zu sprechen. – Herr Egger: Schön, dass Sie kommen
konnten!
Die Kamera schwenkt von der
Moderatorin weg, und schon füllt Martin Eggers Gesicht den ganzen
überdimensionierten Flachbildschirm. – Ich muss Tristan dringend bitten, meinen
Eltern das Format richtig einzustellen, denn irgendwie sieht der Herr Literat
aus wie ein breit getretener Kaugummi. Dennoch hat er wieder einmal eine
erschreckend einnehmende Präsenz und zieht nicht nur die Moderatorin vor Ort in
seinen Bann. Wie macht er das nur?
„Hey, den habe
ich vor Kurzem für Totallokal interviewt“, werfe ich betont locker ein,
während ich nervös an meiner Bravo herumknittere.
„Ach ja?“, fragt
meine Mutter, und ihre Augen bekommen ein ungekanntes Funkeln. „Wie ist der
denn so? Ich finde seine Bücher ja großartig! Ist er nett? Oder doch eher so
ein arroganter Bücherwurm? Ich habe gelesen, der hat sogar einen Doktor? In
Philosophie?“
„Psychologie“,
korrigiere ich, während mein Vater dröhnt: „Nu lasse doch auch antworten, du
Quasselschnecke!“
Vielleicht wäre
es am einfachsten, das Interview von den Kollegen im Dritten aufmerksam zu
verfolgen, aber mit solchen Vorschlägen brauche ich meinen Eltern gar nicht
erst zu kommen. Ich bin ihre Quelle, und die wird jetzt angezapft. Während ich
selbst auf den Bildschirm schiele und versuche, zwischen meinen Denkpausen
einzelne Worte aufzuschnappen, erzähle ich ihnen, dass Martin Egger sicher kein
gewöhnlicher, aber auch kein unsympathischer Zeitgenosse sei. Die Sache mit der
Handynummer verschweige ich dabei geflissentlich – nicht zuletzt aus Sorge,
dass meine Groupie-Mutter ihn heimlich anrufen würde.
„Ist der
verheiratet?“, kommt es da auch prompt von Mama.
„Nein“, antworte
ich.
„Du aber!“, ruft mein Vater, und rückt ein Stück von meiner Mutter ab, um
sie mit hochgezogener Augenbraue demonstrativ zu mustern.
… gut aussehender Mann.
Vielleicht dürfen wir Ihnen abschließend auch eine private Frage stellen?
„Nun, da ich momentan viel unterwegs bin und zuvor monatelang an
meinem Buch gearbeitet habe, muss ich Sie wohl enttäuschen: Ich habe eigentlich
kein Privatleben.“
„Na siehst du,
ein Workaholic. Mit dem wärst du auch nicht besser dran als mit mir!“, grunzt
mein Vater zufrieden. „Die paar Jahre, die der weniger auf dem Buckel hat, sind
da doch…“
„Schhht!!!“,
machen Mama und ich.
„Also so was!“ Papa ist beleidigt.
„… Sicher
kommt man viel herum und trifft viele Menschen. Erst vor ein paar Wochen hatte
ich ein interessantes
Weitere Kostenlose Bücher