verschwunden. Ich blinzle
noch einmal, aber das schmächtige Ding will einfach nicht gehen und blinzelt
schon fast frech zurück. Nun, sei es drum. Was kann sie schon groß ausrichten,
so jenseits des Spiegels? Sie ist gefangen, ich bin frei. Das darf ich niemals
vergessen. Und so gelingt es mir schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit,
mich von ihr loszureißen und zurück ins Foyer zu tapsen. Für heute habe ich von
Gruselgeschichten echt genug!
Gerade als ich überlege, wie ich unauffällig
meinen Mantel bei Astrid auslösen kann, sehe ich am Ende des Foyers Max stehen.
Er trägt seine Jacke und hat meinen Mantel über den Arm geschlungen, während er
die aushängenden Kinoplakate betrachtet. Verdammt. Ich habe doch gesagt, ich
brauche keinen Retter!
Sobald Max mich
erblickt, kommt er auch schon angewieselt. Genau wie ich versucht er, sich
nichts anmerken zu lassen, aber seine besorgte Miene spricht Bände. „Alles
wieder okay?“
Ich nicke, auch
wenn das gelogen ist. Aber was würde es schon helfen, die Wahrheit zu sagen?
Und überhaupt – Wahrheit! Wie philosophisch! Was ist das schon!?
„Komm, ich
bringe dich nach Hause!“ Max hilft mir in meinen Mantel und legt wie
selbstverständlich seinen Arm um meine Schultern. Stumm gehen wir nebeneinander
zur Straßenbahnstation, jeder in seine Gedanken vertieft, gemeinsam einsam. Es
ist schön-schrecklich zugleich, und schließlich wagt Max einen neuen Vorstoß.
„Also kein Twilight -Fan, was?” Seine Stimme klingt
betont munter, als wären wir bereits mitten in einer lebhaften Diskussion. „Ich
meine, sicher, so manch einer findet die Filme zum Kotzen… aber dass du immer
noch eins draufsetzen musst!“
Ich bleibe
stehen und starre ihn mit offenem Mund an. Und dann muss ich furchtbar lachen.
Es kommt etwas stolpernd, zumal mein Körper ziemlich fertig ist. Aber ich finde
Max in diesem Moment einfach großartig und könnte ihn küssen. Wenigstens im
übertragenen Sinne. Oder wenn mein Atem nach frischer Minze riechen würde statt
nach Magensäure. Und wenn die Sache mit uns nicht so verdammt kompliziert wäre…
Mein fröhliches Glucksen verwandelt sich langsam aber sicher in ein
verzweifeltes Schluchzen. O nein. Hoffentlich merkt Max nichts! In der
irrigen Hoffnung, unsichtbar zu werden oder zumindest die Tränen aufhalten zu
können, die jetzt in Strömen meine Wangen herabfließen, schlage ich die Hände
vor das Gesicht. Kann ich mich bitte in Luft auflösen?!
„Schhhh…“
Behutsam doch bestimmt zieht Max mich zu sich heran und streichelt mir über den
Rücken. Seine Stimme ist sanft und beruhigend. Er wirkt so sicher, so stark,
während ich mich auf ein Hundertstel meiner Größe zusammengeschrumpft fühle und
Angst habe, in meiner eigenen Traurigkeit zu ertrinken. Wie gerne würde ich in Max’
Körper hinein kriechen und dort die ganze Welt vergessen. Geborgenheit und Wärme
spüren. Das Gefühl haben, niemals allein zu sein. Doch es ist hoffnungslos.
Denn wer garantiert mir, dass Max wirklich der Fels in der Brandung ist – und
nicht etwa der eigentliche Quell meiner Tränen, aus dem es unerschöpflich
nachsprudelt?
Irgendwann
schaffe ich es, mich und meinen Körper wieder halbwegs unter Kontrolle zu
bekommen, und als mein Schluchzen nach und nach verebbt, gibt Max mich aus
seiner Umarmung frei. Schweigend gehen wir weiter.
In der Bahn
lehne ich erschöpft an Max’ Schulter, und auch den Weg bis zu meiner Wohnung
trägt er mich eher, als dass ich selbständig laufe. An der Haustür angekommen,
drehe ich mich mit müden Augen zu ihm um und versuche zu lächeln. „Hey – Danke
für’s Nachhausebringen. Das war echt nett von dir.“
Max nickt
langsam mit dem Kopf. „Ich bin halt nett.“
Ich nicke
ebenfalls, nachdrücklich. „Ja, ich weiß.“
Dann verstummen
wir wieder. Stehen. Warten.
Schließlich
wendet sich Max zum Gehen. „Also dann: Pass auf dich auf!“ Er schlendert
alleine die Straße hinunter, die wir zuvor gemeinsam hochgekommen sind, während
ich ihm wie gelähmt nachblicke.
„Max!“
Er dreht sich
um. „Ja?“
„Ich…“ Weiter
komme ich nicht.
Doch aus irgendeinem
Grund wirkt Max, als habe er verstanden. Er lächelt, wenn auch etwas traurig.
„Du weißt ja, ich bin da.“
Dann
verschwindet mein Held im dämmerigen Twilight …
Achtundzwanzig
Von:
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Betreff: TNT
Datum: 03.11.2010
22:53:40
Lieber Herr
Schriftsteller,
habe heute in der Redaktion