Liebe 2000 - erotic science fiction
Sooni, blick weg, wende dich ab. Du weißt, daß der Anblick deine Phantasie beflügelt und dich zur Hysterie bringt. Du hast schon einmal erlebt, wie solch ein Tier dort unten neben der Tanne stand und mit leuchtenden, gierigen Augen zu deinem Fenster hinaufstarrte. Du warst danach einem Zusammenbruch nahe. Und so wird es auch diesmal sein. Frag dich nicht, ob es derselbe Mann wie damals ist. Er ist ein Untier – auf jeden Fall.
Siehst du, wie es dich gepackt hat! Du zitterst am ganzen Leib. Es nützt dir nichts mehr, daß du dich vom Fenster abwendest. Die Individualempfänger haben deine Erregung registriert und geschaltet. Doc und Zofe werden dir wieder in den Ohren liegen.
»Beruhigungsspritze?«
»Märchen?«
Du mußt sich irgendwie beschäftigen, damit du diesen beiden Quälgeistern entrinnst. Also rufst du Hila an. Deine beste und einzige Freundin ist sofort am Apparat.
»Ach, Sooni, Liebes, wie gut, daß du dich meldest. Ich wollte ohnehin schon lange mit dir sprechen. Aber sooft ich auch anrief, immer war dein Arzt in der Leitung und wimmelte mich ab. Dir fehlt doch nichts? Ich komme auf einen Sprung vorbei. Einverstanden?«
Sooni ist ganz aufgeregt, ihre Wangen haben Farbe bekommen, sie glühen. Sooni setzt ihren dienstbaren Geistern zu, damit sie die Kemenate auf Hochglanz bringen. Sooni läßt sich vom Schminker ein phantasievolles Illumake auftragen. Sie läßt es auftragen und abwischen und auftragen und … Da ertönt die Fanfare von Hilas Kutsche vor dem Burgtor. Eine prächtige Kutsche! Sie strotzt nur so von Waffen und ist dabei noch von den Raupenketten bis zum Dach geschmackvoll und luxuriös.
Nicht neidisch sein, Sooni, du könntest eine ebenso schicke Kutsche besitzen, wenn du nicht so zurückgezogen und isoliert lebtest. Reiß dich zusammen, Sooni, und gib der Verteidigungsanlage den Befehl, die Kutsche einzulassen. Dann übernimm eigenhändig das Öffnen der Sperren, die Hila auf dem Weg herauf passieren muß. Vergiß aber nicht, sie wieder hinter ihr zu schließen!
Hila ist da. Sie stößt die Tür zur Kemenate auf und tritt ein: überschäumend, fröhlich und schick wie immer.
Man sieht ihr nicht an, daß sie fünftausend ist. Sicher hat sie auch reichlich Illumake aufgetragen, denn Unsterblichkeit garantiert wohl ewiges Leben, aber nicht ewige Schönheit. Doch Illumake her, Illumake hin: Einzig der äußere Eindruck entscheidet. Sie trägt eine Rüstung, die einfach phantastisch ist, und ihre Fröhlichkeit ist ansteckend. »Du siehst wundervoll aus, Hila. Und wie ich dich um deine neue Kutsche beneide! Nimm doch Platz. Möchtest du Tee? Aber nein. Ich weiß, daß du nur Schärferes trinkst. Einen Moment, ich laß die Bar kommen …«
Es irritiert dich, daß Hila nur dasitzt und dich reden läßt; ihre prüfenden Blicke bringen dich aus dem Konzept. Schließlich bringt sie dich mit einer anmutigen Geste zum Schweigen.
»Du brauchst mir nichts vorzumachen, Sooni. Man wird nicht über Nacht von einem Mauerblümchen zu einem Vamp. Vor allem nicht dann, wenn man sich wie eine Eremitin in seinen vier Wänden einschließt. Aber ich würde mich nicht deine Freundin nennen, wenn ich nicht nach einem Ausweg aus deinem Dilemma gesucht hätte. Ich habe mir einiges einfallen lassen, um dich aus deinem Schattendasein zu entführen. Aber es wird das letztemal sein, daß ich mich um dich bemühe. Wenn du mich wieder enttäuschst, dann ist es aus, Sooni.«
»Warum betonst du, wir Frauen seien schwach, Sooni?« Schwester Irn ist sehr maskulin. In ihrer Rüstung wirkt sie wie der sagenhafte Dämon Herkules.
Ja, wir Frauen sagen, daß wir stark sind. Aber warum lassen wir es dann zu, daß die Natur unsere Welt mit ihrem dichten Grün überwuchert? Warum tun wir nichts dagegen, daß Vögel auf unseren Zinnen ihre Nester bauen, daß die Füchse sich ungezwungen geben? Und warum lassen wir uns durch die Existenz des Mannes verhöhnen? Der Nadelbaum dort, er wächst dir bereits über den Kopf, Sooni; selbst von der höchsten Stelle mußt du zu ihm aufblicken. Warum dulden die starken Frauen ihn, die Tiere und die Männer?
»Der wirklich Starke zeigt sich nicht in der Vernichtung, sondern in seiner Geduld«, erklärte Schwester Irn weise. »Wir können es uns leisten, geduldig zu sein, denn wir besitzen die Unsterblichkeit. Wir werden alles überdauern. Inzwischen müssen wir unsere Stärke zeigen, indem wir mit dem Übel leben. Es ist eine Prüfung für die Ewigkeit.
Wir sind noch nicht
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