Liebe 2000 - erotic science fiction
fadendünne Fühler in den Boden und in die Felsspalten – Fühler, die sich von ihrem Körperfett ernährten und wuchsen und sich immer tiefer in den Boden senkten und immer weiter verästelten. Ganz unten setzten die Wurzeln ihre natürlichen chemischen Eigenschaften ein, suchten und fanden Wasser, Kalzium, Eisen, Kupfer, Stickstoff, Kohlenstoff, tasteten Erdwürmer, Maden und Larven ab, entrissen ihnen die Geheimnisse ihrer Fette und Proteine, spalteten die gewünschte Substanz in körperlose, kolloidale Partikelchen, saugten sie durch ihre engen Röhren empor bis in den bleichen, immer mehr schrumpfenden Körper, der an einer flachen Stelle auf einem Kamm, einer Hügelkuppe, einer Bergspitze ruhte.
Der Körper nahm nach den in den Molekülen des Gehirnzentrums gespeicherten Vorlagen die Bausteine der Elemente und formte sie mit Hilfe des am reichlichsten vorhandenen Materials zu einer sehr dünnen Schale, einem Schutzschild, der groß genug war, daß sie hineinwachsen konnte, während ihre natürlichen Feinde, die gefährlichen und ewig hungrigen Raubtiere, die durch das Zwielicht von Baudelaire streiften, vergeblich versuchten, den Panzer zu durchbrechen.
Nach einer Weile verkrampfte sich der stetig wachsende Körper und resorbierte die feste Hülle. Und wenn ihm während dieses nur wenige Tage dauernden Prozesses kein Raubtierzahn zu nahe kam, baute er einen neuen, größeren Panzer. Und später ein weiteres Dutzend und mehr. Bis er zu einem gigantischen, gänzlich veränderten, weiblichen, aber noch jungfräulichen Wesen herangewachsen war. Die Außenseite bestand aus dem Material, das einer Felsmasse glich und es auch tatsächlich war: entweder Granit, Diorit, Marmor, Basalt oder ganz einfach schlichter Kalkstein. Und – gelegentlich – Eisen, Glas oder Zellulose.
Im Innern des Panzers lag, zentral plaziert, das Gehirn, vermutlich nicht kleiner als das eines Menschen. Rings herum, tonnenschwer, die Organe: das Nervensystem, das mächtige Herz – oder die Herzen –, die vier Mägen, die Mikrowellen- oder Langwellengeneratoren, die Nieren, die Därme, die Tracheen, die Geruchs- und Geschmacksorgane, die Parfümfabrik, in der Düfte erzeugt wurden, mit denen sie Tiere und Vögel so nahe heranlockte, daß sie sie einfangen konnte, und der riesige Uterus. Und die Antennen: die kleine drinnen zur Erziehung und Beaufsichtigung der Jungen und der lange, kräftige Stengel draußen, der aus dem Panzer ragte und bei Gefahr eingezogen werden konnte.
Der nächste Schritt war der von der Jungfrau zur Mutter, von der niedrigeren Stufe zur höheren, wie man bei ihrer Impuls-Sprache der längeren Pause vor einem Wort entnehmen konnte. Erst defloriert konnte sie einen gehobenen Platz in ihrer Gesellschaft einnehmen. Schamlos, ohne zu erröten, machte sie die Avancen, die Angebote, bestimmte sie, wann sie sich ergab. Dann fraß sie das Männchen auf.
Die Uhr im Panrad sagte Eddie, daß er seit dreißig Tagen gefangen war, als er diese letzte Information erhielt. Ihn schauderte – nicht etwa, weil er moralisch schockiert gewesen wäre, sondern weil ihm selbst die Rolle des Männchens zugedacht worden war. Und die des Diners.
Sein Finger morste: »Mutter, was soll das heißen?«
Bis dahin hatte er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie eine Spezies, die keine Männchen besaß, sich fortpflanzen konnte. Jetzt stellte er fest, daß für die Mütter alle Wesen außer ihnen selbst männlich waren. Mütter waren unbeweglich und weiblich. Bewegliche Wesen waren männlich. Eddie war ein bewegliches Wesen, also männlich.
Er hatte sich dieser speziellen Mutter während der Paarungszeit genähert, also während der Zeit, da sie einen Wurf Junge großzog. Sie hatte ihn ausgemacht, als er am Bachufer das Tal entlangkam. Als er den Fuß des Hügels erreichte, hatte sie seinen Geruch bemerkt. Einen ihr unbekannten Geruch. Am nächsten kam ihm in ihren Gedächtnisspeichern noch der Geruch eines Tieres, das ihm sehr ähnlich war. Ihrer Beschreibung entnahm er, daß sie einen Menschenaffen meinte. Als Eddie ihr scheinbar in die Falle ging, hatte sie sich ihn geschnappt.
Er hätte den Empfängnisfleck attackieren müssen, jene hellgraue Schwellung in der Wand. Und sobald er ihn so weit aufgerissen hatte, daß die geheimnisvollen Funktionen der Schwangerschaft in Gang gesetzt wurden, wäre er in ihrer Magenöffnung verschwunden.
Zum Glück besaß er weder Schnabel noch Fänge oder Klauen. Und sie hatte aus seinem Panrad die
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