Liebe 2000 - erotic science fiction
Eimer heißes Wasser. Gehen Sie hinein und rasieren Sie sich. Anziehen brauchen Sie sich nicht.
Nach dem Frühstück besorgen wir Ihnen neue Kleider. Und dann … holen wir den Flügel.«
»Ich kann doch nicht nackt auf der Straße rumlaufen!«
»Seien Sie nicht albern. Wer sieht Sie denn? Und jetzt beeilen Sie sich.«
Sie fuhren zu Abercrombie & Fitch in der Madison Avenue, nahe der 45 th Street – Mayo schamhaft in sein Handtuch gewickelt. Linda erzählte ihm, daß sie seit Jahren Stammkunde dort sei, und zeigte ihm die Verkaufsquittungen, die sie mit der Zeit angesammelt hatte. Mayo prüfte sie neugierig, während sie seine Maße nahm und sich auf die Suche nach einem passenden Anzug machte. Als sie hochbeladen wiederkam, war er regelrecht empört.
»Ich habe ein Paar wunderschöne Elch-Mokassins gefunden, und einen Safari-Anzug, Wollsocken und Sporthemden und …«
»Hören Sie mal«, unterbrach er sie, »wissen Sie, auf wieviel sich Ihre Rechnungen insgesamt belaufen? Auf beinahe vierzehnhundert Dollar!«
»Ach, wirklich? Ziehen Sie zuerst die Unterhosen an. Sie sind bügelfrei.«
»Sie müssen wahnsinnig sein, Linda! Wozu brauchten Sie denn all das Zeug?«
»Sind die Socken auch groß genug? Was für Zeug? Ich habe alles dringend gebraucht.«
»Ja? Zum Beispiel …« Er blätterte die unterschriebenen Quittungen durch. »Zum Beispiel ein Unterwasser-Sehgerät mit Plexiglas-Linse, neunfünfundneunzig. Wozu?«
»Damit ich etwas sehen konnte, als ich den Teichboden säuberte.«
»Und was ist mit dem Geschirr aus rostfreiem Edelstahl für vier Personen, neununddreißigfünfzig?«
»Ach, wenn ich faul bin und keine Lust habe, Wasser heiß zu machen. Edelstahl kann man in kaltem Wasser waschen.« Sie bewunderte ihn. »O Jim, kommen Sie, schauen Sie in den Spiegel! Sie sehen richtig romantisch aus, wie der Großwildjäger in der Hemingway-Story.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte wissen, wie Sie je wieder aus den Schulden rauskommen wollen. Sie dürfen nicht soviel Geld ausgeben, Linda. Vielleicht sollten wir das mit dem Flügel lieber lassen, wie?«
»Auf keinen Fall!« erklärte Linda bestimmt. »Es ist mir gleichgültig, wieviel es kostet. Ein Flügel ist eine Anschaffung fürs Leben, und das ist er auch wert.«
Als sie zu den Steinway-Ausstellungsräumen fuhren, war sie ganz durcheinander vor Erregung. Nach einem langen Nachmittag voll Muskelarbeit und schwierigem Manövrieren hatten sie den Flügel mit Hilfe von Stützkeilen und Montagegestellen über die Fifth Avenue zu Lindas Wohnzimmer geschafft. Mayo probierte noch einmal, ob er auch fest auf den Beinen stand, und ließ sich dann erschöpft in einen Sessel sinken. »Der Fußmarsch nach Süden wäre weniger anstrengend gewesen.«
»Jim!« Linda lief zu ihm hin und warf sich ekstatisch an seinen Hals. »Jim, Sie sind ein Engel! Fühlen Sie sich auch wohl?«
»Mir fehlt nichts«, knurrte er. »Lassen Sie mich los, Linda. Ich krieg’ keine Luft.«
»Ich kann Ihnen nicht genug danken. Seit Ewigkeiten träume ich von diesem Flügel. Ich weiß nicht, wie ich das wiedergutmachen soll. Ich werde für Sie tun, was Sie nur wollen. Sie brauchen es nur zu sagen.«
»Ach was!« wehrte er ab. »Sie haben mir ja schon die Haare geschnitten.«
»Im Ernst!«
»Wollten Sie mir nicht das Autofahren beibringen?«
»Aber natürlich! So schnell wie möglich. Das ist das wenigste, was ich für Sie tun kann.« Linda ging zu einem Stuhl, setzte sich hin und betrachtete hingerissen den Flügel.
»Machen Sie nicht so’n Theater um ‘ne Kleinigkeit«, sagte er und rappelte sich auf. Er setzte sich an das Instrument, grinste sie über die Schulter verlegen an und holperte durch das Menuett in G.
Linda stockte der Atem; sie richtete sich kerzengerade auf. »Sie können Klavier spielen!« hauchte sie.
»Nein. Ich hab’ nur als Kind mal Klavierstunden gehabt.«
»Können Sie auch Noten lesen?«
»Früher mal.«
»Könnten Sie es mir beibringen?«
»Ich denke schon. Es ist ziemlich schwer. Das Stück hier habe ich auch lernen müssen.« Tapfer verstümmelte er das »Frühlingsrauschen«. Der Flügel war vollkommen verstimmt, er machte zahllose Fehler, und es war grauenhaft.
»Wunderschön!« flüsterte Linda. »Einfach wunderschön!« Während sie auf seinen Rücken starrte, erschien ein Ausdruck der Entschlossenheit auf ihrem Gesicht. Langsam erhob sie sich, trat zu Mayo und legte ihm die Hände auf die Schultern.
Er sah zu ihr auf. »Ist was?«
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