Liebe ahoi
Mittagsschlaf, einen Babysitter, wann immer ich ihn brauche, Sonne, gutes Essen. Gestern hatte ich sogar Zeit für ein bisschen Wellness. Ihr werdet Gewalt anwenden müssen, um mich hier wieder wegzukriegen.« Ihr Blick fiel auf ihre Armbanduhr. »John, wir müssen los. Es ist Zeit für unser Pampers-Paket.«
»Euer was?«
Beth sah sie erstaunt an. Das Wort »Pampers« gehörte doch früher gar nicht zum Wortschatz ihres coolen westschottischen Sohnes.
»Frag nicht, Mum. Ich hatte nichts damit zu tun. Und ich habe nur zugestimmt, unter der Bedingung, dass es eins der Familiengeheimnisse bleibt, die wir mit ins Grab nehmen.«
»Ich schwöre, das Wort nie mehr in den Mund zu nehmen. Darf ich mich solange um die Zwillinge kümmern? Wir könnten ein bisschen an den Pool gehen oder den Nachmittag auf dem Spielplatz verbringen.«
»Danke, Beth, aber sie haben in zehn Minuten Yoga, danach ist Schwimmkurs. Sie lieben das. Ich hoffe, es macht dir nichts aus.«
»Nein, natürlich nicht. Ich freue mich, dass sie so viel Spaß an Bord haben. Kommt, ihr zwei, gebt eurer Granny einen dicken Kuss.«
Die Zwillinge gehorchten bereitwillig, dann nahmen John und Marcy sie auf den Arm und verschwanden mit ihnen. Wehmütig dachte Beth an die Zeit, als John klein war. An den Wochenenden hatte David ihn damals immer auf seine starken Arme gehoben und war mit ihm zum Planschen an den See gegangen oder zum Fußballspielen, und sie hatten den ganzen Tag Spaß zusammen gehabt. Als sie John und Mary nachsah, fragte sie sich, ob sie sich mehr hätte bemühen sollen, ihre Ehe zu retten. Vielleicht hätte sie die Affäre hinnehmen und ihn bitten sollen, sie wegen der Kinder nicht zu verlassen.
Aber das hatte sie nicht getan. Sie hatte ihn Mona überlassen, weil sie sich nicht an einen Mann klammern wollte, der sie nicht mehr liebte. Eigentlich müsste sie jetzt mit David und mit ihren Kindern und Enkeln zusammen hier sitzen und den Tag planen. Stattdessen saß sie allein hier, und ihre Entscheidung, sich ab sofort nur auf ihre Familie zu konzentrieren, erschien ihr plötzlich absurd. Tatsache war, dass ihre Familie sie nicht mehr immerzu brauchte.
Ihr erster Versuch, sich freizuschwimmen, hatte nicht so gut geklappt. Aber vielleicht war es noch zu früh, sich zu schwören, nie wieder ins Wasser zu gehen.
Ein Mann am Dessertbuffet blieb auf einmal stehen, drehte sich um und sah zu ihr herüber.
Beth stand auf und ging zu ihm. Vielleicht sollte sie einfach kopfüber ins Wasser springen und sehen, was passierte.
*
Sarahs Lippen waren wund gekaut, als sich an Deck 12 die Aufzugstüren öffneten. Unter lauten Abschiedsbekundungen stiegen Max und Piers aus und verschwanden nach rechts, während sie nach links schaute, um nachzusehen, ob … Hatte Colita denn gar kein Zuhause? Sie schien vierundzwanzig Stunden am Tag an diesem Serviceschalter zu verbringen.
»Ah, Mrs. Gold, da sind Sie ja wieder. Wie geht es Ihnen? Wir haben uns gestern Sorgen um Sie gemacht. Schön, dass Sie wohlbehalten zurück an Bord sind.«
»Danke, Colita.«
Bitte, sag sonst nichts. Lass mich einfach in Ruhe.
»Mrs. Gold, ich habe hier noch eine Nachricht für Sie. Möchten Sie sie gleich mitnehmen?«
Nein. Definitiv nein.
»Gern, Colita, vielen Dank.«
Sie nahm den weißen Umschlag entgegen und hastete durch den Gang. Eigentlich durfte sie ihn nicht mal öffnen. Sie sollte ihn einfach wegwerfen. Alles war schon kompliziert genug. David war sicher sauer, dass sie gestern nicht rechtzeitig auf dem Schiff war, und sie würde alle Hände voll zu tun haben, ihn zu besänftigen. Aber vielleicht tat es auch gut, einfach mal einen richtigen Streit zu haben. Vielleicht würde das die Luft reinigen, wie man so schön sagte, und sie konnten anschließend in Ruhe ihre Probleme angehen.
Nein. Die letzten Tage mit Piers und Max hatten ihr Zeit zum Durchatmen verschafft, und sie hatte es genossen. Genau genommen war es herrlich gewesen, mal in Ruhe essen zu können, ohne ständig damit rechnen zu müssen, dass der Mann gegenüber einen Anruf bekam oder losstürmte, weil er wieder irgendwo eine heiße Story witterte, und sie einfach allein sitzen ließ, um das Glas auszutrinken und die Rechnung zu zahlen. Es war eine echte Abwechslung gewesen, stundenlang entspannt am Tisch zu sitzen und über Gott und die Welt zu reden. Fast hätte sie Max von Callums Bemühungen erzählt. Aber nur fast. Irgendwie hatte sie es dann doch nicht richtig gefunden, ihn einzuweihen, solange ihr
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