Liebe am Don
Leutnant lief die Kolonne entlang nach hinten. Minuten später fuhr der Funkwagen an die Spitze und richtete seine Antennen auf.
»Aha!« sagte Babukin und knirschte schauerlich mit seinen Zahnstümpfen. »Jetzt geht's los, Brüder! Sie fahren die Raketen auf.«
»Ein Funkwagen ist's«, knurrte Klitschuk, der sich in technischen Dingen am besten auskannte. »Aber immerhin … sie wollen etwas unternehmen.«
Von der II. Schwadron kam Ifan Matwejewitsch herübergeritten. Auch er trug seine alte Kosakenuniform, aber unter dem langen weißen Bart leuchtete das große Halskreuz aus vergoldetem Messing, das er sonst immer zur Ostermesse herumreichte und das jeder Gläubige andächtig küßte.
»Greifen wir an?« rief er. »Wir sollten es tun, bevor die anderen in Stellung gehen.«
»Es ist besser zu verhandeln.« Kalinew stützte sich auf seinen Sattelknauf und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Auch sie wissen nicht, was sie tun sollen. Jetzt rufen sie Wolgograd zu Hilfe. Warten wir ab, was man ihnen befiehlt.«
»Die Lanzen gefällt und auf sie! Urää!« schrie Babukin. »Sollen wir warten, bis sie sich eingerichtet haben und uns abschießen wie die lahmen Hasen? Ich sage euch … sie werden weiterfahren. Sie werden Perjekopsskaja besetzen, und wir stehen herum wie verrostete Eisentöpfe. Denkt daran, was Tumow gesagt hat! ›Ich vernichte das Dorf‹, hat er gedroht. Brüder, warum zögern wir?«
»Sie schicken einen Parlamentär.« Kalinew drückte dem Alten die Hand auf den Mund. Babukin schwieg beleidigt und stieß die Hand weg. Richtig, aus der Wagenkolonne lösten sich zwei Soldaten, schwenkten ein Taschentuch und kamen zu Fuß auf die Kosaken zu. Gleichzeitig aber sprangen aus allen Lastwagen die Soldaten heraus, schwärmten aus, warfen sich in das Steppengras und brachten ihre Waffen in Stellung. Klitschuk zählte neun Maschinengewehre und zwei Granatwerfer. Er seufzte laut und kratzte sich den Kopf.
»Es wird viel Blut fließen«, sagte er dumpf. »Bevor wir Attacke reiten, soll Vater Ifan uns noch einmal segnen –«
Kalinew, Kotzobjew und Babukin ritten den beiden Parlamentären entgegen und blieben drei Meter vor ihnen stehen. Es waren der Hauptmann und ein junger Feldwebel. Stolz hob Babukin seinen Säbel und grüßte damit. Er wußte, was sich gehörte.
»Was soll dieser Aufmarsch?« fragte der Hauptmann ohne lange Einleitung. »Bedeutet das, daß man uns hindern will, nach Perjekopsskaja zu fahren?«
»Genau das bedeutet es, Genosse«, antwortete Kalinew. »Wer nach Perjekopsskaja will, muß erst durch uns hindurch.«
»Das ist Widerstand gegen den Staat!« schrie der Hauptmann. Er lief rot an, blickte zu dem riesigen Reiterhaufen und konnte sich vorstellen, was hier auf der Steppe geschah, wenn diese Woge von Pferdeleibern sich in Bewegung setzte und ihnen entgegendonnerte.
»Das wissen wir«, sagte Kotzobjew stolz.
»Das ist Rebellion!«
»Darüber könnte man diskutieren. Wir betrachten es als Notwehr.«
»Ich habe einen Befehl aus Moskau!«
»Und wir haben das jahrhundertealte Gesetz der Freiheit! Ich glaube, Genosse, das gilt mehr.«
»Zum Lachen ist es! Haha!« Der Hauptmann warf beide Arme hoch. »Eine Kompanie der Roten Armee will man aufhalten? Warum verschwende ich eigentlich meine Zeit?« Er stemmte die Arme in die Seiten und warf den Kopf in den Nacken. »Ich befehle, daß die Straße freigegeben wird! Sofort!«
»Man sollte ihm den hohlen Schädel spalten«, sagte Babukin laut. »Brüder, laßt uns zurückreiten und zur Attacke blasen …«
»Ich lasse rücksichtslos schießen!« schrie der Hauptmann. »Ich habe neun Maschinengewehre bei mir!«
Kalinew lächelte mitleidig. »Wir sind über neunhundert Kosaken«, sagte er ganz langsam. Jedes Wort floß über den Hauptmann wie heißes Pech. »Sie können zweihundert oder dreihundert von uns erschießen … aber dann sind wir bei Ihnen … und was siebenhundert Kosaken aus Ihrer Kompanie machen können, muß ich Ihnen das erklären, Genosse?«
»Nach uns wird ein Regiment kommen und Sie vernichten!« schrie der Hauptmann.
»Das mag sein.« Kotzobjew wendete sein Pferd, für ihn war die Unterredung beendet. »Aber Sie, tapferes Brüderchen, leben dann bestimmt nicht mehr. Sie sollten sich das ganz genau überlegen –«
Wütend, die Fäuste geballt, stapften der Hauptmann und der Feldwebel zu der Wagenkolonne zurück. »Laden und sichern!« brüllte er schon von weitem. »Die Züge versammeln sich bei ihren Wagen und
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