Liebe am Don
offen. Er beäugte Jelena wie ein seltenes Tier, das plötzlich herrliche Laute von sich gibt. »Warum das alles?« fragte er, als er die Sprache wiederfand.
»Weil ich den Deutschen sicher wissen will, du dampfender Ochse!« rief Jelena und sprang auf. »Und weil ich dich vor Dummheiten bewahren will. Oder hast du Sehnsucht nach den Urwäldern von Schigansk?«
»Nicht unbedingt.« Granja stieg aus dem Bett und tappte mit bloßen Füßen im Zimmer herum. »Tausend Rubel«, sagte er und rechnete im stillen. »Ob sie reichen, Genossin?«
»Fang nicht an zu handeln, du Halunke! Es reicht. Für tausend Rubel kannst du zwei Wochen das Leben eines Bojaren führen.«
»Und wie kriege ich Njuscha herum, mitzukommen? Das ist ein Problem von zehntausend Rubel.«
»Man sollte einen Holzkopf wie dich wirklich auf einen Block legen«, sagte Jelena und stampfte auf. »Erzähl es einfach allen Leuten, verkünde es wie eine Parteiparole: Njuscha und ich heiraten noch nächste Woche. In Wolgograd. Und ans Meer geht's, juchhei! – Wenn es alle wissen, kann Kolzow nicht mehr zurück. Auch Njuscha nicht … ihr Vater wird sie schwarz wie einen Eisentopf prügeln, wenn sie sich weigert.«
»Das ist gut!« Granja Nikolajewitsch bekam helle Augen. »Das ist ein ausgezeichneter Gedanke. Aber glauben Sie, daß Njuscha eine gute Ehefrau wird? Daß sie nicht immer wieder an diesen blonden Deutschen denkt, Gott verdamm ihn!«
»Sie wird eine gute Frau werden, Granja. Ich weiß es. Gospodin Bodmar wird in zwei Wochen nicht mehr in Rußland sein. Und Erinnerungen befriedigen nicht wie ein Mann, der gegenwärtig ist. Man kann träumen, aber der Körper will etwas Greifbares. Noch kein Weibchen ist vom Träumen allein satt geworden.«
»Da haben Sie recht, Jelena Antonowna.« Granja streckte ihr beide Hände hin. Auch sie hatten Brandblasen, aber sie waren schon aufgeplatzt und mit einem gelben Zeug bepinselt, das nach Jodoform stank. »Sagte ich es nicht: Sie sind eine erfahrene Frau, auf Sie kann man hören. Ich danke Ihnen.«
»Und ich rufe heute noch in Wolgograd an und bestelle dein Aufgebot im Heiratspalast.«
»Sie sind ein Engel, Jelena.« Granja begleitete sie zur Tür. Für ein paar Augenblicke vergaß er seine Schmerzen. »Von mir aus können Sie sich jetzt den Deutschen um den Hals hängen wie ein Amulett … ich werde ihn nicht mehr beachten.«
Er wartete, bis Jelena das Haus Nr. 3 verlassen hatte, ging dann zurück in sein Zimmer, schloß es ab, warf sich wieder aufs Bett und spuckte gegen die Wand.
»Verdammt!« sagte er. »Sie hat mich glatt entmannt. Jetzt lebt der Deutsche doch weiter. Es sei denn, ein Unglück geschähe … irgendwie, irgendwann. Ein Unglück ist Schicksal, man kann es nicht abwenden. Es muß in nächster Zeit ein Unglück passieren … ganz zufällig … vielleicht fällt er vom Pferd, oder ein Baumstamm überrollt ihn, oder er stürzt in eine Grube und bricht sich das Genick, oder er ersäuft im Fluß … Es muß eben ein trauriges Unglück sein, Granja Nikolajewitsch –«
*
Jelenas Rückweg nach Perjekopsskaja verlief glatt und ohne Schwierigkeiten bis etwa vier Werst vor dem Dorf.
Sie ritt langsam und tief in Gedanken über die Steppe, ließ die Zügel schleifen, denn das Pferdchen kannte den Weg ganz genau und ließ sich Zeit, denn wer vorher so gehetzt wurde, hat ein Recht, sich jetzt zu erholen. Die Flanken zitterten ihm noch immer, die Nüstern dampften und prusteten, und wenn Jelena noch einige Werst weitergerast wäre, würde sie es zuschanden geritten haben wie der bärenstarke Kosak Dawnow in Perjekopsskaja, der von seiner Schwadron neun Pferde zur Verfügung gestellt bekam, sich aufschwang, eine Runde drehte und dann mit dem erschöpften Gaul zusammen auf die Erde fiel.
Jetzt ist es nur noch nötig, Bodmar aus dem Dorf zu bringen und nach Wolgograd zu fahren, dachte Jelena und achtete nicht auf das, was um sie herum geschah. Er ist nicht an den Don gekommen, um sich mit einem Kosakenweibchen über den Waldboden zu wälzen, sondern um auf den Spuren seines Vaters den Geist einer neuen, freieren Zeit zu beschreiben. Daran sollte man ihn erinnern, das wird ihn wegreißen aus den weißen Armen der kleinen Kulakenhure. Sein Vater wird stärker sein als Njuscha. Auf den Pfaden der Vergangenheit wollte Bodmar durch Rußland ziehen … aber die Vergangenheit hat ihn mehr gepackt, als er wahrhaben will. Der Geist seines Vaters lebt in ihm. Hundertfach habe ich es beobachtet an ihm. Er wird
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