Liebe auf Dauer
Freiheit möglich wird, damit wir etwas Neues, Besseres gestalten können, müssen wir das Alte versöhnt hinter uns lassen können. Ablehnung, innere Anklage zeigen, dass der alte Kampf noch nicht zu Ende ist. Ich hänge noch am Vergangenen. Erst wenn ich sagen kann: »Ich bin der Sohn, die Tochter dieser Eltern, und ich stimme dem zu, mit allem, was es bedeutet« – dann bin ich dem Kampf entronnen, dann lasse ich das Vergangene vergangen sein und bin frei für die Zukunft, und erst dann schiebt sich das Erlebte und Erlittene nicht mehr als trennendes Hindernis zwischen mich und den Partner.
Aber was geschieht, wenn zwischen Eltern und Kindern so furchtbare Dinge passiert sind, dass keine Versöhnung, kein »Ja« zu den Eltern möglich ist? Sind Menschen dann dazu verurteilt, wie im Bann eines Fluches zu leben und diesen an die nächste Generation weiterzugeben – so wie es in dem Beispiel von Johannes zu sein scheint?
Ja, es gibt sehr schlimme Dinge zwischen Eltern und Kindern: Gewalt, Missbrauch, Rücksichtslosigkeit, Demütigung, Missachtung der kindlichen Bedürfnisse und vieles mehr. Mit Versöhnung ist nicht gemeint, dies zu billigen oder in etwas Positives »umzudeuten«. Das Schlimme bleibt schlimm. Die geballte Faust des Kindes und später des Erwachsenen gegen den betreffenden Elternteil ist zwar verständlich, und sie ist oft auch ein gewisser Schutz gegenden brennenden Schmerz der Wunde, die ihm zugefügt wurde. Allerdings ist sie ein Schutz um den Preis, sich selber hart zu machen, und diesen Preis zu zahlen lohnt sich nicht. Denn die geballte Faust fesselt an die Vergangenheit, schließt nicht mit ihr ab, lässt sie gerade nicht los. Wenn ein solcher Mensch die Hand öffnet, tut das zunächst sehr weh. Die Wunde wird wieder spürbar. Es ist kein »Fest der Versöhnung« mit Freude und Jubel, was hier beginnt, es ist eine Zustimmung zur bitteren Ohnmacht und zum Ausgeliefert-Sein des Kindes und zugleich zu seiner dennoch vorhandenen Angewiesenheit auf die Eltern: »Du hast mir das angetan, das war nicht recht, und es hat sehr wehgetan. Du hättest das nicht tun dürfen. Und dennoch bist du mein Vater/meine Mutter und ich dein Kind, das von dir das Leben hat und deshalb zutiefst mit dir verbunden ist! Ich stimme dem zu, und ich nehme von dir, was du mir gegeben hast – und ich mache etwas daraus!« Das hat nichts mit »Friede, Freude, Eierkuchen« zu tun und nichts – wie gesagt – mit Gutheißen oder Entschuldigen dessen, was einem angetan wurde. Aber es ist das Wesentliche dessen, was mit Versöhnung gemeint ist. Wenn es darüber hinaus noch möglich wird, dass wir die Eltern aus ihrer persönlichen, familiären und geschichtlichen Situation heraus in den Motiven ihrer Taten und Versäumnisse besser verstehen, können sich unsere Gefühle ihnen gegenüber in vielen Fällen auch noch ein Stück weiter aufhellen, sodass ein friedvollerer Zustand zwischen uns und ihnen entsteht, der es uns ermöglicht, das Vergangene tatsächlich hinter uns zu lassen und unsere Partner nicht mehr in seinen zerstörerischen Sog hineinzuziehen (zum Thema »Versöhnung mit den Eltern« vgl. Glöckner 2002).
Hinweise
Wenn ich meine, ich könnte meine Vergangenheit dadurch hinter mir lassen, dass ich mir vornehme, jetzt zu meinem Partner/meiner Partnerin ganz anders zu sein, als ich es zwischen Vater und Mutter erlebt habe, und es mit meinen Kindern viel besser zu machen, als sie es mit mir gemacht haben, bin ich im Irrtum. Die Vergangenheit wird mich einholen. Auch wenn ich mich ihr nicht naiv unterwerfe (zum Beispiel nach dem Motto: »Mir hat es nicht geschadet, dann wird es meinem Kind auch nicht schaden …«), sondern sie sogar heftig ablehne und zurückweise, bleibe ich in ihrem Bann. Für die jetzige Liebesbeziehung ist es also von existenzieller Bedeutung, dass ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandersetze, mich mit ihr aussöhne, denn nur so entziehe ich mich der Gefahr, sie in der Gegenwart mit meinem Partner und mit meinen Kindern zu wiederholen.
Mich mit meinen Eltern zu versöhnen, das ist meine Verantwortung, meine Aufgabe. Der Partner kann sie mir nicht abnehmen. Er kann mich höchstens darauf hinweisen, dass es aus diesem oder jenem Grund in diesem oder jenem Punkt nötig wäre. Aber Vorsicht! Hier entsteht leicht ein fatales Muster! Wenn die Frau den Mann drängt (meist sind die Rollen nämlich so verteilt), er müsste hier unbedingt endlich etwas tun, denn es sei offensichtlich, dass er mit
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