Liebe auf Dauer
diese unerledigten Angelegenheiten nochmals aufzugreifen, woran sie ihr schlechtes Gewissen und die vermutete Ablehnung ihrer Kinder hindert. Ich habe nicht selten erlebt, dass durch solche Gespräche der Versöhnungsprozess intensiv in Gang gekommen ist. Denn was auf diese Weise direkt von ihnen, aber auch – wo dies nicht möglich war – von Bekannten und Verwandten zu erfahren war, half sehr, »sich in die Schuhe der Eltern zu stellen« und die Situation aus ihrer Perspektive zu betrachten. Das daraus resultierende Verstehen war ein wesentlicher Schritt vom Groll zur versöhnten Annahme.
Auch hier sei nochmals der Hinweis angefügt, dass das Studium der Zeitgeschichte, deren Teil Großeltern und Eltern als Opfer, Täter oder »Mitläufer« waren, ebenfalls zu diesem Verstehen und damit zur Aussöhnung ein großes Stück beitragen kann.
4 Betonen Sie das Positive in Ihrer Beziehung
Die Kunst, einander gutzutun
Wie das Positive mit der Zeit in den Hintergrund gerät
Wir kommen jetzt zu einem Grundsatz, der den ganz konkreten Alltag des Paares betrifft und dessen Beachtung von zentraler Bedeutung für die Stabilität von Beziehungen ist. Es geht dabei um die Aufrechterhaltung einer positiven Grundstimmung zwischen den Partnern. Diese ist nie einfach ohne Zutun der Partner vorhanden, oder sie bleibt es jedenfalls nicht. Sie entsteht oder verschwindet, je nachdem, wie diese den Tag über miteinander umgehen. Am Anfang einer Beziehung ist das den Beteiligten meist nicht bewusst. Sie spüren und erleben, wie gut sie zusammenpassen, wie sehr sie gerade das gesucht haben, was sie jetzt miteinander und voneinander erfahren. Sie müssen nicht extra darauf achten, das zu tun, was dem anderen angenehm ist, sie fühlen sich dazu von innen heraus gedrängt, und es fällt ihnen gar nicht auf, dass sie es tun.
Mit der Zeit jedoch verlieren auch die faszinierendstenEigenschaften des anderen ihren Neuheitscharakter. Man gewöhnt sich ein wenig daran, ist durch sie nicht mehr so beglückt wie am Anfang. Man findet sie dadurch nicht mehr so häufig erwähnenswert. Ohne dass es einem bewusst wird, äußert man sich seltener darüber. Dazu kommt, wie bereits erwähnt, dass im Laufe der Zeit auch andere Seiten am anderen sichtbar werden, Seiten, die nicht so gut zu mir passen, die mir fremd, ja befremdlich sind. Sie braucht so ewig lang im Bad. Er räumt seine Schuhe nicht weg, wenn er heimgekommen ist. Solche Kleinigkeiten beginnen uns am anderen aufzufallen und zu stören.
Aus Rücksicht, und weil das ja Kleinigkeiten sind, sagen wir dann oft nichts zum anderen. Aber stören tut es uns doch, weil wir halt immer wieder darüber »stolpern«. Damit aber beginnt unsere Aufmerksamkeit sich allmählich auf die Negativ-Seite zu verlagern, das Positive, an das wir uns gewöhnt haben, tritt demgegenüber immer mehr in den Hintergrund.
Irgendwann beginnen wir den anderen zu kritisieren. Wenn wir das feinfühlig und mit Liebe tun und der andere bereitwillig ist, kann hier ein gegenseitiger Anpassungsprozess in Gang gesetzt werden, der das Störende wieder eindämmt oder sogar beseitigt. Dieser Anpassungsprozess findet allerdings häufig nicht statt, denn hier lauern zwei Gefahren: Zum einen geht es bei den Störungen oft nicht um so einfache Dinge wie die erwähnten, sondern um solche, die sich auch bei großer Bereitwilligkeit nur schwer vollständig verändern lassen, solche nämlich, die mit unserer Person eng verbunden sind. Häufig haben gerade die Eigenschaften, die uns aneinander fasziniert haben, auch ihre Schattenseiten. Der Spontane, Gefühlsbetonte, Lebendige ist oft auch chaotisch und sprunghaft. Der Systematische, Überlegte, Genaue ist oft auch langsam, gehemmt, unflexibel. Diese Schattenseiten der geliebten Eigenschaften treten im Laufe der Zeit deutlicher hervor – und hier istVeränderung schwieriger als bei den herumliegenden Schuhen und beim Trödeln im Bad.
Dadurch – und das ist das zweite Erschwerende – kann es sein, dass die Kritik des Partners an diesen Eigenschaften schärfer wird, abwertender, sodass dieser sich in seiner Person angegriffen fühlt und meint, seine Eigenschaften, sein Verhalten, ja sich selber schlechthin gegen die Kritik des anderen verteidigen oder zum Gegenangriff übergehen zu müssen, indem er nun seinerseits die negativ empfundenen Eigenschaften und Verhaltensweisen des anderen diesem vorzuhalten beginnt.
Daraus entstehen leicht unangemessen eskalierende Streitspiralen: Weil der eine
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