Liebe auf Dauer
Wenn ich spüre, wie meine Partnerin meine Hand zart berührt, vermittelt sie mir: »Ich mag dich.« Ein kleines Lächeln zwischendurch lässt eine innige Verbindung zwischen uns entstehen – womöglich inmitten einer frustrierenden Veranstaltung. Sie schaut mich an – und ich spüre in ihrem Blick Zuneigung und Sympathie … Solch kleine Zeichen sind mindestens so wichtig wie verbale Bezeugungen, und jedes Paar sollte hier sein eigenes, unverwechselbares Repertoire entwickeln und pflegen.
Für diesen nonverbalen Bereich gilt insgesamt eher noch mehr, als es schon für den »verbalen« Gültigkeit hat: Der Alltag mit seinen vielen Verpflichtungen, mit seiner Hetze und seinem Tempo ist hier der gefährlichste Feind. Er lässt unachtsam werden und solche »Kleinigkeiten« vergessen, weil es ja ständig so viel – scheinbar – Wichtigeres und Bedeutungsvolleres zu erledigen gilt …
Nahrung und Inspiration
Mehrmals habe ich hier das Bild von der Nahrung gebraucht: Positiver Austausch in dieser oder jener Weise ist tatsächlich Nahrung für die Beziehung, Nahrung, die sie braucht, um zu wachsen und zu erstarken. Nur eine erwachsene und starke Beziehung wird heutzutage stabil sein. Früher gab es so viele andere Faktoren, durch die ihre Stabilität gesichert war. Heutzutage wird es immer ausschließlicher ihre innere Stärke, und die braucht Positivität als Nahrung.
Es gibt aber noch eine andere Dimension, die wir hier berühren. Verena Kast hat sie mit dem Wort vom »Herauslieben« charakterisiert (Kast 1984, S. 1). Es ist nicht nur so, dass positive Resonanz die vorhandenen Stärken des Partners gegenüber seinen Schwächen zum Vorschein bringt und wieder deutlicher macht. Positive Resonanz kann auch noch einen anderen Effekt beim Partner haben. Die unerschütterliche Überzeugung davon, dass mein Partner zu dem oder jenem imstande ist, dieser »Glaube an ihn« hat schon oft dazu geführt, ihn so zu inspirieren, dass er diese Fähigkeit überhaupt erst bei sich entdeckte und entwickelte. Das Positive wird dadurch in der Beziehung unter Umständen sogar zu einer schöpferischen Kraft, die nicht nur Vorhandenes sichtbar macht, sondern sogar Neues in der Beziehung erschafft. Wenn sie beispielsweise immer wieder von ihm hört, was für eine schöne Stimme sie hat, wird sie vielleicht erst dadurch ermutigt, sie auszubilden und Gesangsstunden zu nehmen. Wenn er von ihr rückgemeldet bekommt, wie seine Augen immer wieder leuchten, wenn er von diesem oder jenem Thema spricht, entdeckt er erst dadurch bei sich, dass er hier ein neues Hobby entwickeln, ein neues Engagement entfalten, sich einen neuen Bereich erobern könnte … Durch die positive Resonanz »liebt« der Partner beim anderen »heraus«, was ohne diese Liebe brachliegen bleiben würde.
Einwände
Damit es in einer auf Dauer angelegten Beziehung aushaltbar wird, müssen wir uns doch immer wieder deutlich machen, was uns aneinander stört. Das heißt: Wir können nicht nur das Positive betonen. Wir müssen Kritik üben und auch Kritik einstecken. Dabei wäre es unrealistisch, zu meinen, es könnte im Alltag immer hochsensibel und liebevoll zugehen. Da wird es auch lautstarke Worte, Anschuldigungen, Abwertung, Ärger und Vorwurfshaltung geben. Das heißt: Wir müssen auch Negatives aushalten lernen. Ohne das gäbe es doch keine Veränderung!
Ich sage dazu: Genau das Gegenteil ist der Fall. Mit negativer Kritik erreichen wir das Gegenteil von dem, was wir wollen, wir erreichen Nichtveränderung. Das Störende, das wir dadurch weghaben wollen, verstärken wir vielmehr, ja wir erschaffen es dadurch geradezu, und je öfter wir in dieser Weise kritisch werden, desto mehr wird es zwischen uns wachsen.
In gewisser Weise muss ich dem Einwand allerdings auch zustimmen: Negativität lässt sich nicht vollständig aus dem Zusammenleben der Partner ausschalten. Wir sind nicht immer sensibel, wir werden ab und zu unfair und unverhältnismäßig in unserer Kritik. Oder wir treffen bei aller Vorsicht mit unserer Kritik einen besonders wunden Punkt beim anderen, sodass er diese gerade nicht einstecken kann, sondern zurückschlagen »muss«.
Der amerikanische Paar-Forscher John Gottman (2000) hat uns hier durch seine Untersuchungen wichtige Erkenntnisse geliefert. Er fand heraus, dass Negativität einer Paarbeziehung dann nicht schadet, wenn die positiven Impulse die negativen stark überwiegen. Er will herausgefunden haben, dass dies im Verhältnis von 5 zu 1 geschehen
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