Liebe auf Dauer
müsste. Fünf positive Impulse würden einen negativen in seiner Wirkung neutralisieren. Das an diesem genauenZahlenverhältnis festzumachen, mag manchem vielleicht allzu formalistisch erscheinen, wichtig daran aber ist: Das Positive, die Anerkennung, das Lob, die Zeichen der Zuneigung müssen – faire oder unfaire – Kritik ein gutes Stück überwiegen, damit sie ihr Ziel, nämlich Veränderung, erreichen. Ist das nicht der Fall, kann diese Kritik noch sosehr von der Absicht nach angemessener Veränderung getragen sein – sie wird das Gegenteil bewirken. Wir sind darauf angewiesen, uns von den Menschen, die uns nahestehen, positiv gehalten und von ihrem Wohlwollen umgeben zu fühlen. Dann vertragen wir auch Kritik und können sie uns zu Herzen nehmen. Und es bedarf dabei immer großer Achtsamkeit, dass die Kritik den positiven Halt nicht schnell zerstört. Wir Menschen sind da alle sehr empfindlich. Darum braucht es dieses Bemühen darum, dass die positiven Impulse die negativen immer wieder überwiegen, damit sich die geschilderten Negativitäts-Spiralen nicht entwickeln und die Basis der Beziehung zerstören.
Führt dieses Betonen des Positiven nicht dazu, dass vieles, was angesprochen werden müsste, unter den Teppich gekehrt wird? Und entsteht dadurch nicht die Gefahr, dass es irgendwann eine zerstörerische Explosion gibt, wenn es zu viel wird? Oder auch eine »Implosion«, das heißt Erkrankungen, psychosomatische Beschwerden, emotionale Verstimmungen und so weiter bei demjenigen, auf dessen Kosten diese »Positivität« hauptsächlich geht?
Hier wird keineswegs die Empfehlung gegeben, Problematisches in der Beziehung zu verschweigen oder gar auszublenden und so zu tun, als gäbe es dies nicht. Es ist im Gegenteil sehr wichtig, Dinge, die schiefzulaufen beginnen, rechtzeitig und deutlich anzusprechen. Aber es kommt sehr darauf an:
Erstens, wie das geschieht. Das kann mit ätzender Kritik sein oder zugewandt, ernsthaft, getragen von der Sorge um die Beziehung: »Gerade weil du mir so wichtig bist und mir so viel an unserer Beziehung liegt, muss ich das Thema XY heute mit dir ansprechen …« Problematisches thematisieren, das muss keineswegs heißen, keine positiven Impulse mehr in die Beziehung hineinzugeben!
Zweitens, in welcher Gesamtatmosphäre der Beziehung Probleme angesprochen werden. Haben wir uns bisher annähernd an die »Fünf-zu-Eins-Regel« gehalten, dann verlieren wir auch unsere positive Grundhaltung zueinander nicht, wenn wir uns mit diesem oder jenem Punkt heftig auseinandersetzen. Vielmehr haben wir dann einen Boden, der auch in ernsthaften Auseinandersetzungen trägt.
Aber wo bleibt hier die Authentizität? Ist diese Betonung des Positiven nicht etwas Künstliches? Kommt es dann noch glaubwürdig rüber?
Das Positive in der Beziehung betonen heißt nicht, dem anderen »Honig ums Maul schmieren«. Und noch weniger heißt es, den anderen aus taktischen Gründen und aus Berechnung loben oder anerkennen. Dies wirkt sich in einer Beziehung tatsächlich schlecht aus, abgesehen davon, dass es auf Dauer dem Partner gegenüber gar nicht durchzuhalten ist. Es geht nicht um Taktik und Strategie. Es geht um Achtsamkeit. Wir drücken einander so wenig Positives aus, nicht weil es nicht vorhanden wäre, sondern weil wir zu wenig darauf achten. Es braucht also einen Einstellungswandel, nämlich eher auf das halb volle Glas zu schauen als auf das halb leere, dann kommen Lob und Anerkennung auch echt rüber.
Hinweise
Es gibt hinsichtlich des Austausches von positiven Impulsen einen wichtigen Unterschied zwischen Frauen und Männern: Frauen legen im Allgemeinen auf den verbalen, also in Sprache gefassten Ausdruck von positiven Gefühlen größeren Wert als Männer. Männer sind darin oft sehr karg. Sie denken gar nicht daran, das, was sie durchaus fühlen, nämlich dass sie ihre Frauen schätzen, ihre Figur attraktiv, ihr Verhalten anziehend finden und so weiter, diesen auch mitzuteilen. Das hat wohl damit zu tun, dass beide von klein auf gewohnt sind, Sprache unterschiedlich zu benützen. Kurz gesagt: Für Frauen steht der Beziehungsaspekt von Sprache im Vordergrund, für Männer der Sachaspekt (Schulz von Thun 1986). Das heißt: Wenn Frauen miteinander sprechen, hat das immer auch das Ziel, sich wechselseitig ihrer Beziehung zu vergewissern. Bei Männern dagegen geht es in erster Linie um Informationsaustausch. Liebe Worte, Komplimente, Aussagen, die Anerkennung und Lob enthalten, haben aber meist
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