Liebe auf dem Pulverfaß
blühende Gärten, und doch alles in seiner Größe übergehend in weißgelbe Wüste … Kairo, immer noch ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, trotz über drei Millionen Einwohnern, die sie zur größten Stadt Afrikas machen, trotz der modernen Hochhäuser und Triumphbögen, ein brodelnder Kessel, in dem die Neuzeit neben sechstausend Jahren Geschichte lebt, ein einmaliger Schmelztiegel menschlicher Leidenschaften, hineingegraben und emporgebaut auf einem Boden, der einmal einen maßgeblichen Anteil unser aller Kultur nährte.
Kairo … das ist ein Zauber, der jeden überfällt, der hier den afrikanischen Kontinent betritt. Zwar rufen die Muezzins nicht mehr mit trichterförmigen Händen von den Galerien der Minarette das Lob Allahs, sondern über ein Tonband aus großen Lautsprechern, zwar schieben sich Autokolonnen durch die Straßen wie in jeder Großstadt … aber dazwischen trotten auch noch wie vor tausend Jahren die Lastesel, rufen die Limonadenverkäufer ihren widerlich süßen, klebrigen Saft aus, sitzen in schattigen Hausnischen die Bettler, hocken in den Parks die Kinder um den Märchenerzähler und spielen die Alten irgendwo abseits des lautesten Verkehrs Puff, ihr dominoähnliches Anlegespiel, als stehe für sie die Zeit still. Und ein paar Schritte nur abseits der großen Boulevards beginnt der reine Orient, taucht man ein in die ewig dämmrigen überbauten Gänge, die ›Straßen‹ der Altstadt, trifft man wieder auf die verschleierten strenggläubigen Mohammedanerinnen, quillt aus den Türen der Geruch von Hammelbraten, Kouskous und Mehlfladen.
Kairo … das ist der Beginn einer Welt, die nie ihre Faszination verlieren wird, die immer orientalisches Geheimnis bleibt, auch wenn wir Atome spalten und auf dem Mond mit einem Auto fahren können.
Amina und Kehat landeten auf dem Flughafen Kairo und durchliefen, wie jeder andere Passagier auch, erst den Zoll. Da sie Deutsche waren, nach ihrem Paß, wurden sie höflich, aber reserviert behandelt … man wunderte sich nur, daß sie nichts in den Zollschein ›D‹ einzutragen hatten. Als Gepäck nur ein Koffer mit wenigen Kleidungsstücken. Das war ungewöhnlich. Keine Kamera, kein Filmapparat, kein Fernglas, kein Kofferradio … was sind das denn für Deutsche?
Sie bekamen ihren Stempel, nickten freundlich, sagten »Danke schön« auf deutsch und standen dann außerhalb der Kontrollen. Ein paar Boys und Fremdenführer stürzten sich auf sie, redeten auf sie ein in einer Mischung von Englisch-Französisch-Deutsch-Italienisch, zeigten bunte Prospekte von Hotels und Nachtbars und verteilten Zettel.
»Wir haben ein Zimmer«, sagte Kehat auf englisch. »Danke.«
Er nahm den kleinen Koffer, faßte mit der anderen Hand Amina und zog sie aus der großen Halle. Draußen auf der Straße wartete eine lange Schlange von Omnibussen und Taxis, der Parkplatz vor dem Flughafen war überfüllt. Als gäbe es keine Düsenriesen, zog gemächlich eine kleine Kamelkarawane am Rande der breiten Straße entlang. Nicht weit von hier beginnt ja die Wüste, übergangslos, versickert die Stadt im Sand wie ein armseliges Wasserrinnsal.
»Wohin?« fragte Kehat und lehnte sich an die Wand des Flughafengebäudes.
»Wieviel Geld haben wir noch?«
»Nach ägyptischer Währung sind es knapp hundert Pfund.«
»Das sind tausend Piaster.« Amina lächelte Kehat traurig an. »Wir werden nicht weit kommen.«
»Wir haben etwas übersehen, Amina«, sagte er. »Wir sind Deutsche. Man erwartet von uns, daß wir in einem schönen Hotel wohnen, mit dem Taxi in die Stadt fahren, viel Geld ausgeben, gutes Trinkgeld verteilen, zu den Pyramiden fahren, eine Nilfahrt machen, die Königsgräber besichtigen, Abu Simbel bewundern, sechstausend Jahre Geschichte nacherleben. Wenn wir jetzt mit einem Omnibus fahren und in der Altstadt ein billiges Zimmer in einer Pension mieten, haben wir sofort die Polizei am Hals.« Er griff in die Tasche und holte die paar Geldscheine hervor. »Mehr können wir uns aber nicht leisten.«
»Kannst du stumm und taub sein, Kehat?«
Er starrte sie ungläubig an, als habe er sie nicht verstanden. »Ja«, antwortete er endlich gedehnt. »Wenn es sein muß …«
»Du mußt es sein, mein Liebling.« Sie wollte ihn küssen, besann sich aber im letzten Augenblick, daß viele Augen auf sie gerichtet waren und öffentliches Küssen auch im aufgeklärten Ägypten immer noch etwas Fatales war, und senkte den Kopf. »Wir werden wieder Araber werden, Kehat.«
»Nie! Ich
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