Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
»Wann?«
    »In einer Woche …«
    »Sie sind verrückt, Luigi!« Kehat holte einen zweiten Schein aus der Tasche. »In zwei Stunden … zweihundert Dollar!«
    »Sie scheinen eine Zaubertasche zu haben, Signore. Sie zaubern Dollars, aber ich kann keine deutschen Pässe zaubern.«
    »Überlegen Sie es sich, Luigi.« Kehat steckte die Scheine wieder ein. »Notieren Sie sich die Angaben – in zwei Stunden komme ich wieder …«
    Zwei Stunden können zwei Ewigkeiten sein, wenn man auf sein Schicksal wartet. Aminas Paß war das Schicksal … ohne dieses kleine dünne Büchlein war es unmöglich, auf legalem Weg als Tourist nach Kairo zu kommen. Hatte man einen Paß, wurde ein Sichtvermerk eingedrückt, vom Konsulat der Ägyptischen Republik, ein Stempel, der für Kehat und Amina die Mauer durchbrach zu ihren Vätern. Ein lächerlicher Stempel … härter als jeder Rammbock, siegreicher als hunderttausend Granaten und Bomben.
    »Und wenn wir keinen Paß bekommen?« fragte Amina zu Beginn der zweiten Wartestunde.
    »Luigi ist zwar der erste Paßhändler, auf den wir gestoßen sind, aber er ist nicht der letzte und einzige.« Kehat sah auf die große Uhr. Sie saßen im Wartesaal des Bahnhofes, zwischen Hunderten von Reisenden, die ihren Morgenkaffee tranken und die Zugansagen verfolgten. Ein ständiges Kommen und Gehen, ein immerwährender Menschenwechsel … die Totalität der Anonymität.
    Nach Ablauf der zwei Stunden – sie hatten jeder sechs Expressos getrunken, und ihre Herzen hämmerten wie Maschinen – gingen sie zurück in die Bahnhofshalle und sahen schon von weitem Luigi neben seinem Melonenstand stehen. Er schien sich nicht weggerührt zu haben, und Kehat sagte deprimiert:
    »Wir sollten gar nicht mehr auftauchen. Er ist überhaupt nicht weggegangen.«
    Aber dann trieb ihn eine übermächtige Neugier doch zu Luigi. Ein Italiener, der zweihundert Dollar ausschlägt, ist fast undenkbar. Luigi bemerkte ihn, nickte ihm zu und griff in die Jackentasche. Kehats Herz machte einen schmerzhaften Sprung. Mein Gott, dachte er. Zweitausend Jahre lang hast du die Juden verflucht … heute aber hilfst du einem Juden. Gott, ich danke dir …
    Es war ein glattes, stummes Geschäft … zweihundert Dollar gegen den Paß. Lautend auf Adele Johnen aus Köln. Mit Aminas etwas undeutlichem Bild, aber einem guten Stempel. Ein echter Paß. Man mußte Luigi bewundern.
    »Danke –«, stammelte Kehat überwältigt. »Danke …«
    »Was Sie auch vorhaben, Signore – viel Glück.« Luigi machte zu Amina hin eine leichte galante Verbeugung.
    »Danke. Wir können es gebrauchen.«
    »Schwarzarbeit in Deutschland?« fragte Luigi.
    »Nein. Vielleicht Sterben in Ägypten …«
    Kehat wandte sich ab und ging mit weichen Knien zu Amina zurück. Das Glück machte ihn schwach. Luigi starrte ihm entgeistert nach und wischte sich dann über die Stirn. »O Santa Chiara«, stöhnte er leise, »ich habe für einen Idioten gearbeitet …« Er sah Kehat und Amina nach, bis sie im Gewühl der Reisenden untergingen, weggespült wurden, ausgelöscht waren.
    Um elf Uhr hatten sie ihren Touristenstempel von dem ägyptischen Konsulat, um zwölf Uhr kauften sie sich im Büro der El Araab Lines zwei Flugkarten nach Kairo. Der Leiter des römischen Büros hieß Ismail Jahur ibn Bazeid. Amina kannte ihn vom Namen her … er war, wie Ghazi Muhamed in Köln, Verbindungsmann der ›Organisation‹ zu den Terrortrupps in Rom und Oberitalien. Einen Augenblick sahen sich Ismail und Amina an … aber da Jahur nicht die Tochter des großen Safar Murad kannte, blickte er schnell wieder weg und bediente einen weiteren Kunden.
    Um 13 Uhr 19 rollte die vierstrahlige Maschine der El Araab Lines zum Einstieg III des römischen Flughafens, um 13 Uhr 27 schwenkte sie ein auf die betonierte Rollbahn. Um 13 Uhr 30 schwebte sie niedrig über die Dächer von Rom und nahm Kurs auf Kairo.
    Kehat und Amina starrten hinaus. Sie saßen angeschnallt nebeneinander und zitterten, als die Stadt mit den sieben Hügeln unter ihnen verschwand und es ihnen erst jetzt voll bewußt wurde, daß sie alles hinter sich ließen, was ein Mensch vom Leben erwartet: Hoffnung, Liebe, Erfüllung, Frieden.
    Sie flogen in das Zentrum des Hasses. In den Vulkan der Gewalt. In die Kälte der Gnadenlosigkeit. In das Schweigen des Todes.
    Sie waren auf dem Weg ohne Wiederkehr –
    Kairo.
    Breite Boulevards, verwinkelte, verschachtelte, überbaute enge Gassen, ein Wald von Moscheenkuppeln und schlanken Minaretten,

Weitere Kostenlose Bücher