Liebe auf den ersten Klick
Seite neige. In einer der Zeitschriften stoße ich auf einen Artikel über eine Frau, deren Brustimplantate explodiert sind, und lese, bis ein junger Mann namens Daniel, wie sein Namensschild verrät, mich zu einer herrlichen Kopfmassage ans Waschbecken entführt.
Wenig später kommt Mandy zurück und macht sich an den Schnitt. Nasse Strähnen landen auf dem Fußboden. Ich höre das Klappern der Schere, als sie die Haare an meinen Ohren ausdünnt. Einen Moment lang bekomme ich Angst, sie könnte zu viel abschneiden, aber ich vertraue ihr. Immerhin geben sich hier die Topmodels die Klinke in die Hand.
»Wie findest du die Farbe?«, erkundigt sie sich. Ehrlich gesagt kann ich kaum einen Unterschied erkennen, aber das liegt vielleicht auch daran, dass die Haare noch nass sind.
»Sehr schön. So dezent.«
Lächelnd zückt sie den Föhn und eine dicke Rundbürste. Dampf steigt von meinem Kopf auf, als sie sich ans Werk macht. Am Ende fixiert sie ihr Kunstwerk mit Haarspray, zupft mir ein paar Strähnen ins Gesicht und zeigt mir, wie es von hinten aussieht. Obwohl ich finde, dass es ein wenig helmartig wirkt, nicke ich anerkennend, um ihre Gefühle nicht zu verletzen. Sie bürstet ein paar lose Haare von meiner Kleidung und führt mich zurück zum Empfang, wo mir die magere Rezeptionistin beschwingt die Rechnung vorlegt. »Macht zweihundert Pfund, bitte.«
Schluckend schiebe ich meine Kreditkarte über den Tresen und werfe einen Blick auf den Beleg: fünfzehn Pfund allein für den Wein. Aber das war es mir wert. Immerhin war ich beim besten Friseur Londons. Mein Haar sieht bestimmt super aus, wenn ich es zu Hause ein bisschen aufgelockert habe.
»Es ist wirklich schön geworden. Gefällt es dir?«, erkundigt sich die Rezeptionistin, als ich meine PIN-Nummer eintippe.
»O ja. Toll. Ehrlich. Ich finde, es sieht spitze aus«, beteuere ich, breche aus einem unerklärlichen Grund in Gelächter aus und stolpere winkend zur Tür hinaus.
Es fühlt sich gefährlich kühl und luftig um die Ohren an. Starren mich die Leute an? Lachen sie etwa über meine Frisur? Ich könnte schwören, dass dieses Mädchen in der U-Bahn meinetwegen so gekichert hat. Zum Glück ist es nicht weit zu der Bar, wo ich mit Lucy verabredet bin. Ich kann sie fragen, wie sie es findet, und mein Haar auf der Toilette ein bisschen verwuscheln. Die Bar befindet sich im Keller und gehört zu unseren Stammlokalen, weil es dort guten Wein und leckere Tapas gibt. Ich gehe die Wendeltreppe hinunter und entdecke Lucy mit einer Flasche Wein und zwei Gläsern an einem Tisch in der Ecke.
»Und? Was sagst du?«, frage ich und bausche meine Haare etwas auf.
»Du warst beim Friseur?«, fragt sie.
»Hallo? Natürlich war ich beim Friseur. Es hat drei Stunden gedauert.«
»Hm, stimmt. Oben ist es irgendwie kürzer.« Sie erhebt sich halb, um einen Blick auf meinen Kopf zu werfen. »Hoppla, sogar ein ganzes Stück kürzer.«
»Was? Ehrlich?« Ich ertaste ein paar beängstigend dünne Strähnen. »Sieht es gut aus?«
»Ja. Ganz nett.«
»Nett? Scheiß auf nett. Ich habe zweihundert Kröten dafür hingeblättert.«
»Du hast zweihundert Pfund beim Friseur liegen lassen?« Sie starrt mich ungläubig an.
»Sie hat jede Menge Lowlights reingemacht.«
»Du hast zweihundert Pfund ausgegeben, nur damit deine Haare noch ein bisschen brauner aussehen als vorher?«
»Ja, ganz genau, Lucy.« Ich schenke mir ein Glas Wein ein und beäuge Lucys glänzende Mähne, die so seidig ist, dass sogar ihre Ohrspitzen hindurchschimmern. Wie sollte sie jemals verstehen, was ich durchmache?
»Na ja, da kann ich nur viel Glück wünschen. Sind Schnitte aus den Achtzigern wieder in?« Sie hebt ihr Glas.
»Bloß kein Neid.« Wir stoßen an. »Und jetzt muss ich dir von dem Kleid erzählen.«
Wir leeren die Flasche und kauen bei einer weiteren den Samstag noch einmal bis ins letzte Detail durch: wie ich mich verhalten soll, wenn ich ihn sehe. Was ich sage, wenn er mit mir reden will. Wie ich ganz cool auf seine neue Freundin reagieren werde. Später, im Taxi auf dem Nachhauseweg, schicke ich Lucy eine SMS, um mich bei ihr zu bedanken, dass sie so eine wunderbare Freundin ist. »Du auch, Süße«, schreibt sie zurück. Erst in dem Moment fällt mir ein, dass ich sie gar nicht gefragt habe, wer der Kerl in ihrem Bett war.
Viel Wein plus wenig Essen = Kater. Diese Lektion kann ich mir einfach nicht merken, deshalb muss ich sie wieder und wieder neu lernen. Es ist Freitag, ich fühle mich
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