Liebe auf den ersten Klick
grauenhaft und bin spät dran, was übel ist, weil ich heute eine extralange Mittagspause machen muss, um meinen Termin beim Waxing wahrzunehmen.
Beim Aufwachen sehen meine Haare ein bisschen aus wie Tina Turners Ananasperücke. Die Stufen am Oberkopf sind so kurz, dass ich noch nicht mal einen Pferdeschwanz machen kann, außerdem muss Mandy am Hinterkopf, wo ich es nicht sehen konnte, wie ein Berserker mit der Ausdünnschere gewütet haben. Und die Lowlights? So viel zum Thema »Des Kaisers neue Kleider«. Ich habe Mühe, die Tränen zurückzuhalten, als ich meiner widerspenstigen Frisur mit Haarspray zu Leibe rücke, doch die Strähnen am Hinterkopf lassen sich beim besten Willen nicht bändigen. Ich sehe wie ein zerrupfter Kakadu aus, habe aber keine Zeit, mir auch noch die Haare zu waschen.
Im Bus checke ich meinen Terminkalender. Mein Blick fällt auf den Samstag, den ich mit einem großen Herzen verziert habe. Dies ist der Tag, an dem ich meinen Verlobten zurückerobern werde! Aber natürlich auch Janes Hochzeitstag. Ich bezweifle, dass wir Jane noch häufig zu Gesicht bekommen werden, wenn sie erst mal unter der Haube ist. Hugo lässt sie keine Sekunde aus den Augen. Wann immer man sich mit ihr unterhalten will, steht er sofort auf der Matte, betatscht sie oder haucht ihr zärtliche Küsse aufs Haar. Hugo nervt. Er ist klein und feist, Jane hingegen zierlich und dünn. Es ist, als würde ein Zwergnilpferd mit Krawatte eine Weihnachtselfe ehelichen. Aber wie heißt es immer so schön – es gibt nun mal solche und solche . Laut Terminkalender steht heute im Büro nichts Besonderes an, allerdings sollte ich mir Gedanken über die Geschenksets für Weihnachten machen.
Ein fieser kleiner Gedanke schiebt sich in mein Hirn – Weihnachten ohne Rob –, den ich jedoch eilig verdränge. Bis dahin sind wir vielleicht längst verheiratet. Ich schwelge in Fantasien über eine Winterhochzeit mit weißem Pelz, roten Rosen und romantisch flackernden Kerzen, bis ich aussteigen muss.
Der Vormittag im Büro schleppt sich dahin. Wegen meines Katers und der Anspannung über die bevorstehende Hochzeit kann ich keinen klaren Gedanken fassen, geschweige denn kreative Ideen entwickeln. Christie hat meine neue Frisur als »sehr innovativ« bezeichnet. Ich habe sämtliche lose Gummibänder auf meinem Schreibtisch in die Kugel eingeflochten, mit der ich schon vor einem Jahr angefangen habe, und ausprobiert, ob Papierclipmagnete tatsächlich eine so große Anziehungskraft haben; dann habe ich ein paar Lieferanten gemailt, eine Runde Solitär gespielt, und jetzt ist es endlich Zeit für … Achtung: Trommelwirbel … den Besuch im Beautysalon .
Ich gehe zu Selfridges, steige in den Aufzug und fahre ins oberste Stockwerk, wo mich eine Art futuristische Klinik in kühlen glänzenden Weiß- und Grüntönen erwartet. Ich sehe mich um: nur schöne Menschen, so weit das Auge reicht. Ich werde in einen Behandlungsraum geführt, bevor ich die Atmosphäre mit meiner Anwesenheit verderben kann. Jemand drückt mir einen Papierslip in die Hand, den ich anziehen soll. Augenblicke später betritt eine farbige Schönheit den Raum.
»Sollen wir mit dem Brazilian anfangen? Dann hätten wir das Schlimmste hinter uns«, schlägt sie strahlend vor. Normalerweise lasse ich mir nur die Bikinizone enthaaren, wenn ich vorhabe, auch einen Bikini zu tragen, was eher selten der Fall ist, aber das Package nebst Gratis-Brauenzupfen war einfach zu verführerisch. Außerdem muss man sich nur mal Rob vorstellen, wenn wir uns morgen näherkommen, eines zum anderen führt und wir im Bett landen … Das wäre doch eine hübsche kleine Überraschung für ihn. Außerdem meinte er ohnehin immer, ich solle etwas wegen meines Wildwuchses unternehmen.
»Brazilian? Das ist das, wo nur ein schmaler Streifen stehen bleibt, oder?«
»Genau. Alles komplett weg, auch unten, und oben bleibt ein schmaler Streifen oder ein hübsches Muster.«
Auch unten ? Redet sie von den Härchen, die links und rechts aus dem Rand des Höschens ragen, oder … von etwas anderem?
»Sie meinen, alles ?« Das erscheint mir ziemlich radikal.
»Genau.«
»Und andere finden das schön?«, frage ich, als mich plötzlich die Nervosität überkommt.
»Schätzchen, ich bin da unten komplett kahl. Mein Freund ist völlig verrückt danach und versucht, mir ständig an die Wäsche zu gehen. Ständig.«
Ich male mir aus, wie Rob dasselbe bei mir tut und mich anbettelt, ihn wieder
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