Liebe auf den ersten Klick
Abermals durchforste ich im Geiste das Geschehene und versuche, mir einzureden, dass es nicht wahr ist. Ich kann es beim besten Willen nicht akzeptieren. Rob gehört mir. Sämtliche Unterhosen in seinem Schrank habe ich gekauft, genauso wie ich alles andere in seiner Wohnung ausgesucht habe. Das Ganze muss ein Missverständnis sein. Doch dann sehe ich den Ring an Sams elegantem Finger vor mir. Er wird heiraten – es ist wahr, und daran gibt es nichts zu rütteln. Mein Magen verkrampft sich. Max zwirbelt eine meiner Haarsträhnen um seinen Zeigefinger. Ich verlagere das Gewicht und stütze mich auf seinem Bauch auf, um ihm ins Gesicht zu sehen.
»Er heiratet übrigens auf Bali.«
»Drecksack.«
»Dabei verträgt er die Hitze noch nicht mal. Im Urlaub auf Sizilien hat er keine einzige Bootstour mitgemacht, weil er sich zwischen zwölf und drei unbedingt hinlegen musste.«
»Verweichlichter Drecksack.«
»Er hat panische Angst vor Hautkrebs und kriegt sehr leicht einen Sonnenbrand trotz Sunblocker.«
Max starrt mich eindringlich an. »Ich will ein Porträt von dir malen.«
In all den Jahren, die wir uns kennen, löchert er mich damit, aber ich habe mich immer geweigert – aus Angst, es könnte irgendwie peinlich sein oder unsere Beziehung zueinander verändern. Aber jetzt, wie ich so neben ihm liege, völlig kaputt, den Kopf auf seiner sich rhythmisch hebenden und senkenden Brust, habe ich Lust loszulassen, mich in seine Welt zu begeben, als hätte ich nichts mehr zu verlieren.
»Dann los.«
Er setzt sich abrupt auf. »Ehrlich?«
»Ja.«
»Super. Wahnsinn … Jetzt sofort?«
»Okay.«
Er springt mit einem Satz aus dem Bett und stürmt hinaus. Sekunden später steht er wieder vor mir.
»Alles klar mit dir? Kann ich dir irgendetwas bringen?«
»Tee. Einen Eimer voll Tee.«
Nach einer Weile stehe ich ebenfalls auf und folge ihm in sein Atelier, sorgsam darauf bedacht, weder mein ruiniertes Kleid noch mein Gesicht im Spiegel anzusehen. Vor dem Fenster steht ein mit grauem Samt bezogener Sessel. Ich höre das Klirren eines Löffels in einer Tasse. Eine jungfräuliche Leinwand steht auf einer Staffelei, daneben ein Glas voller Pinsel, Tuben mit Arcylfarbe und etliche nach Terpentin riechende Baumwolllappen. Es ist angenehm warm im Zimmer. Winzige Staubpartikel tanzen im Widerschein der Morgensonne, die durchs Fenster fällt. In der einen Ecke des Raums stapelt sich allerlei Krimskrams, an der Wand stehen einige seiner jüngsten Werke gegen ein Fahrrad gelehnt. Ich durchquere den Raum, um einen Blick darauf zu werfen. Eine nackte dunkelhaarige Schönheit liegt auf einer salbeigrünen Couch, ein langes elfenbeinfarbenes Bein angewinkelt, das andere lässig ausgestreckt. Sie hat ihre schlanken Arme über dem Kopf verschränkt und reckt ihre winzigen Brüste mit den rosigen Nippeln vor, die genau dieselbe Farbe haben wie ihr herzförmiger Mund. Ihre dunkelgrünen Augen blicken gelangweilt ins Leere – unverfroren, erotisch und atemberaubend schön. Wie gebannt starre ich ihre Augen an, denen eine unglaubliche Kraft innezuwohnen scheint und bei deren Anblick mich ein leises Schamgefühl überkommt, weil ich sie so ungeniert betrachte. Max kommt herein und tritt hinter mich. Ich spüre seinen Atem im Nacken und trete zur Seite. Er drückt mir den Teebecher in die Hand, an dem ich nippe, ohne den Blick von dem Bild zu lösen.
»Wer ist das?«
»Lula.«
»Du hast nie eine Lula erwähnt. Es gab eine Mary-Jane und eine Stephanie … ach ja, und die schreckliche Patti.«
»Stinke-Patti?«
»Genau, Stinke-Patti. Aber keine Lula.«
Er zuckt die Achseln und lächelt. »Sie ist nur eine Frau, die für mich Modell gesessen hat.«
»Sie ist wirklich schön. Bist du sicher, dass du mich malen willst? So verkatert und mit deinem Arsenal-Shirt?«
» Du bist wirklich schön. Außerdem kannst du es ja ausziehen.«
»Nein danke.«
»Also, dann setz dich.« Er deutet auf den grauen Sessel.
Der Samt fühlt sich warm an meinen nackten Beinen an. Er mustert mein Gesicht mehrere Momente lang.
»Alles in Ordnung?«, fragt er dann. Ich nicke.
Mit ernster Miene beginnt er zu skizzieren. Seine Augen wirken plötzlich viel dunkler als sonst. Er betrachtet mich wie einen Gegenstand, nimmt den Sessel und die Form meines Körpers in Augenschein, als sähe er ihn zum allerersten Mal. Die Sonne fängt sich auf seinen Koteletten und den dunklen Spitzen seiner Wimpern, als sein Blick zwischen mir und der Leinwand hin und her
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