Liebe auf den ersten Klick
riesig in meinem Mund an. Ich schwitze wie ein Schwein. Als ich versuche, mich zu bewegen, durchzuckt mich ein scharfer Schmerz. Mein schwammiges Gehirn sucht nach einer Erklärung: 1. Ich wurde Opfer eines Zugunglücks, oder 2. Ich wurde zusammengeschlagen und mitten in der Wüste zum Sterben liegen gelassen. Als Nächstes registriere ich das Körpergewicht und die Wärme eines Lebewesens neben mir und wende mühsam den Kopf. Es fühlt sich an, als rutsche ein Amboss auf die andere Seite meines Schädels. Blinzelnd mache ich die Umrisse von Max’ Kater Dave aus, der neben mir im Bett liegt, während Erinnerungen vor meinem inneren Auge aufblitzen, eine nach der anderen wie Spielkarten beim Geben – Flashbacks der Unsäglichkeit in schillernden Farben.
Tastend schiebe ich die Hand unter die Bettdecke und stelle fest, dass ich mein Höschen und ein Arsenal-Shirt trage. Ich stütze mich auf einem Ellbogen ab, worauf mein Schädel wie verrückt zu hämmern beginnt, und mustere Dave. Er kauert mit untergeschlagenen Pfoten neben mir und erwidert meinen Blick mit sphinxarti ger Gleichmut, dann blinzelt er einmal und schnurrt noch etwas lauter. Die erbsengrünen Vorhänge verleihen dem Licht in Max’ Zimmer die Farbe von Erbrochenem. Noch nie in meinem Leben war ich so durstig. Neben dem Bett steht ein Eimer, daneben eine Literflasche Orangensaft und eine Schachtel Schmerztabletten. Ich trinke die Hälfte des Orangensafts in einem Zug aus, drücke mit zittrigen Fingern zwei Tabletten aus der Packung und schlucke sie mit dem restlichen Saft hinunter, dann lasse ich mich in das Kissen zurücksinken und schließe die Augen. Dave knetet währenddessen hingebungsvoll die Bettdecke. Ich schiebe ihn zur Seite, was er als Einladung auffasst, sich auf meiner Brust zusammenzurollen und mir mit seinem dichten Schwanz vor der Nase herumzufuchteln.
»Hau ab, Dave!« Ich schiebe ihn weg, aber er krallt sich trotzig fest, und ich habe Mühe, ihn auf den grauen Teppich zu verfrachten. Eine Wolke aus Katzenhaaren steigt mir in die Nase, sodass ich einen heftigen Niesanfall bekomme. Winzige Blutklümpchen kleben an meiner Hand, und mein Schädel schmerzt unerträglich. Sogar meine Zähne tun weh. Grundgütiger, mich hat es echt übel erwischt. Ich lasse mich wieder ins Kissen fallen und versuche, den Schmerz zu ignorieren, gewissermaßen unter ihm hindurchzutauchen, aber nun, da ich erst einmal weiß, dass er da ist, habe ich keine Chance. Das 1000-£-Kleid liegt zerknautscht über der Sessellehne – die Korsage ist mit Blut gesprenkelt, den Rock zieren mehrere schwarze Flecken, und der Saum ist angesengt. Mein Blick fällt auf Janes zerdrückten, ebenfalls blutbespritzten Brautstrauß. Das Ensemble sieht aus, als stamme es geradewegs aus dem Kostümfundus von Dracula und seine Bräute . In diesem Moment meldet sich meine Erinnerung mit der Wucht eines Tritts in die Magengrube zurück. Zack – Robs schmerzhaft schöne Freundin. Zack – ich stehe auf und halte eine flammende Rede. Zack, zack – der Brautstrauß! –, gefolgt vom ultmativen Schlag ins Gesicht, der wie eine Kanonenkugel von meinen Schädelwänden widerhallt. ROB WIRD HEIRATEN! Ich spüre, wie mein Herz auf Rosinengröße zusammenschrumpelt.
Ich bin am Boden zerstört, völlig fertig, am Ende. Mit leerem Blick starre ich die Spinnwebe an, die über der Reispapierlampe schwebt, während ich verzwei felt mein Gedächtnis nach einem Funken Restwürde durchforste … nur einen winzigen Moment, in dem ich mich nicht komplett zur Idiotin gemacht habe. Vergeblich. Ich höre das Rauschen der Toilettenspülung. Max klopft leise an die Tür und tritt in Jeans und einem ausgebleichten T-Shirt herein. Ich wende den Kopf wie eine Sterbende, wenn der Pfarrer zur Letzten Ölung erscheint. Lächelnd setzt er sich auf die Bettkante.
»Morgen.«
»Hilf mir«, krächze ich.
»So schlimm?«
»Nicht mal ein Tier würde man so leiden lassen.«
Er streicht mir das Haar aus dem Gesicht. Seine Hand fühlt sich angenehm kühl auf meiner Stirn an. »Soll ich dir etwas zu essen bringen?«
»Igitt. Nein.« Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich starre auf meine Hände.
»Vielleicht etwas trockenen Toast oder so?«
Langsam schüttle ich den Kopf. »Das Kleid ist völlig ruiniert.« Wir sehen beide zum Sessel hinüber.
»Ach was, für eine Halloween-Party ist es perfekt.«
»Und er wird heiraten.« Eine Träne kullert mir über die Wange.
»Oje.« Er legt sich neben mich und bettet
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