Liebe auf den ersten Klick
Klimaanlagenluft. Die IT-Abteilung ist in drei Schreibtischreihen untergliedert: Reihe eins für die akuten Probleme. Hier sitzen Mitarbeiter, die sich geduldig anhören, wo der Schuh drückt, und versprechen, sich gleich am Dienstag zu melden. In Reihe zwei sitzen die Mitarbeiter für die Wartung, die zu einem ins Büro kommen und sämtliche Stecker wieder in die richtigen Dosen stecken oder gleich den ganzen Computer kommentarlos mitnehmen. Reihe drei ist den Hardcore-Freaks vorbehalten, die ihre eigene Sprache und Kultur haben. Ich gehe zu Reihe drei. Michaels Brillengläser funkeln im Schein des Monitors. Soweit ich sehen kann, hat er ein dünnes Ziegenbärtchen gezüchtet und es zu einem dünnen Zopf am Kinn geflochten. Dies ist der einzige Hinweis darauf, dass er zur Gattung der Nerds gehört, ansonsten sieht er in seinem hellgrauen Anzug und seinen Gesundheitsschuhen eher durchschnittlich aus.
»Hi, Michael.«
Er sieht kurz in meine Richtung, dann hebt er die Hand, um mir Einhalt zu gebieten, ehe er wieder fie berhaft auf seine Tastatur einhämmert. Seine kleinen Wurstfinger – die Nägel an den kleinen Fingern sind bewusst lang gehalten und gelblich verfärbt – fliegen förmlich über die Tasten und erinnern mich an winzige Nager, die auf dem Dachboden hin und her flitzen. Ich stehe da wie bestellt und nicht abgeholt.
Ein hagerer, ganz in Lila gekleideter Typ mit schlaffem sandfarbenem Pony am Schreibtisch neben Michael redet mit irgendjemandem hinter ihm. »Wenn das xeruernaauhet-System aizdhtahe ist, machen wir dann qzuanybz oder athg.gh?«
Hier drin ist es so kalt und dunkel wie in einem Mausoleum, und in der Luft hängt der Geruch nach schalen Fürzen, Patschouli und Staub. Keiner kann sich überwinden, den Blick länger als ein paar Sekunden von seinem kostbaren Bildschirm zu lösen. In diesem Moment hebt Michael den Kopf.
»Tut mir leid, Viv, aber ich muss hier dranbleiben. Was kann ich für dich tun?«
Er gehört zu den Menschen, die ständig herumzappeln müssen. Sobald er sich irgendwo hinsetzt, fängt er an, mit dem Fuß zu wippen, oder trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte, und wenn er steht, hüpft er auf der Stelle oder wiegt sich hin und her. Ich erkläre ihm, was ich vorhabe, und drücke ihm meine Notizen in die Hand. Er überfliegt sie, wobei er sich nachdenklich mit dem Stift gegen die Zähne tippt.
»Ja, doch, das könnte funktionieren.«
»Na ja … ich habe mir überlegt, ob du mir eine Website erstellen könntest.«
»Tja, könnte ich.«
»Okay … und würdest du es auch tun?«
»Kommt darauf an.«
»Worauf?«
»Was dabei für mich herausspringt.«
»Klar. Was verlangst du?«
Seine Augen hinter den Brillengläsern heften sich auf mein Gesicht. »Na ja, ich müsste mehrere Ebenen schaffen. Nach Schema F geht das hier nicht.«
»Verstehe.«
Er sieht sich die Notizen noch einmal an. Der ganze Schreibtisch vibriert unter seinem stetig wippenden Bein. »Es sind eine ganze Menge zusätzlicher Sites und Links nötig, und dafür braucht man einiges an Zeit.«
Er wackelt mit dem Stift rhythmisch zwischen seinen Fingern. Ich spüre, wie die Energie förmlich aus mir herausströmt wie Wasser aus einer Plastiktüte. Und ich bin der Goldfisch, der japsend und zappelnd am Boden liegen bleibt.
»Also, was ist, machst du’s?«
»Aber nur wenn ich eine Gegenleistung dafür kriege.« Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und lächelt, ohne dabei auch nur einen Zahn zu entblößen.
»Gut … nun ja, dann mal raus damit.« Ich stoße ein etwas angestrengtes Lachen aus.
»Abendessen. Mit dir. Du zahlst, und ich bestimme, wo.«
Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Konzeption und Programmierung einer Website kostet, aber vermutlich geht es in die Tausende, zumindest aber mehr, als mich ein Abendessen mit Michael kosten wird – sowohl in finanzieller als auch in mentaler Hinsicht. Es fühlt sich zwar an, als müsste ich eine Kröte schlucken, trotzdem sage ich Ja.
»Und wann kriege ich etwas zu sehen?«
»Nächste Woche … und die Bezahlung erfolgt nach Fertigstellung.«
Ich beschließe, mir bis dahin nicht den Kopf wegen des Essens zu zerbrechen. »Super. Tausend Dank, Michael.«
Er sieht mich zufrieden an und leckt sich über die Lippen – seine Zunge sieht aus wie ein Aal, der aus seiner Höhle schnellt. Ich weiche zurück.
»Bye-bye, Vivienne.« Er winkt, und ich wende mich zum Gehen.
Bevor ich um die Ecke biege, werfe ich ihm noch einen letzten Blick zu und
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